Reform des Berliner Hochschulgesetzes

 
Der rot-rot-grüne Senat in Berlin plant eine umfassende Reform des Hochschulgesetzes. Ein erster Entwurf liegt seit Februar 2021 vor. Einige Kernpunkte daraus: Die Erprobungsklausel (§ 7a BerlHG), welche von den Berliner Hochschulen auch zu einer abweichenden Gestaltung der Kuratorien genutzt wurde, soll eingeschränkt werden. So soll sie grundsätzlich unter dem Namen "Innovationsklausel" weiter existieren, allerdings soll nun für die Nutzung der Klausel "die Zustimmung des Akademischen Senats und die  Zustimmung  des  Kuratoriums" nötig sein, „unzulässig  sind Abweichungen, die darauf zielen, die den Hochschulmitgliedern nach diesem Gesetz eingeräumten Mitwirkungsrechte einzuschränken“ (§ 7a neu).

In § 64 wird die Architektur des Kuratoriums (die in dieser Ausgestaltung aber wegen der verbreiteten Nutzung der Erprobungsklausel faktisch kaum relevant war) tiefgreifend umgestaltet. Waren bislang neben dem fachlich zuständigen Senator, der den Vorsitz innehatte, und weiteren Vertretern der Politik zum Beispiel auch vier Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie "eine Vertreterin einer Organisation, die die Interessen von Frauen, sowie eine Person, die Umweltbelange vertritt", vorgesehen, erfolgt nun eine Abkehr von dieser "rundfunkrat-ähnlichen", auf Repräsentanz angelegten Konzeption hin zu einem Modell, das sich den in anderen Ländern praktizierten Ansätzen einen deutlichen Schritt annähert. Abgesehen von den internen Vertretern der Statusgruppen sind nun als Mitglieder des Kuratoriums vorgesehen: 

  • ein Vertreter der Wirtschaft – an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin ein Vertreter der Wohlfahrtsverbände.
  • ein Vertreter der Gewerkschaften,
  • drei bis fünf Vertreter der Gesellschaft, die sich durch besondere Erfahrung und Einsatz für Wissenschaft, Forschung oder Gesellschaft auszeichnen.

Die Senatsverwaltung nimmt nur noch als Gast an den Sitzungen teil.

Während diese überfälligen Anpassungen sehr zu begrüßen sind, verwundert die vorgesehene Begrenzung der Amtszeit auf zwei Jahre (§ 64 Abs. 2 neu). Da neue Mitglieder sich erst einarbeiten und eine gute Zusammenarbeit im Team und mit der Hochschulleitung sich auch erst entwickeln muss, ist diese Zeitspanne als deutlich zu kurz zu betrachten. 
Offenkundig soll § 50 Abs 1 ("Die Gremien tagen öffentlich, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist") nun auch explizit für die Kuratorien gelten ("einschließlich der Kuratorien" wird eingefügt). Auch wenn der neu gefasste Absatz 2 dies in Teilen relativiert ("Die Gremien nach Absatz 1 können in begründeten Ausnahmefällen den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließen"), ist eine generelle Öffentlichkeit für Kuratoriumssitzungen nicht dem Charakter des Gremiums angemessen: Ein Kuratorium sollte offen und vertraulich auch kritische Punkte mit der Hochschulleitung diskutieren und anschließen proaktiv die Öffentlichkeit über Kernergebnisse informieren. Die Diskussionen sollten aber vertraulich stattfinden, um ein "Schaulaufen" zu verhindern.

Leider werden die Kompetenzen der Kuratorien im neuen Entwurf (weiter) beschnitten. So soll das Kuratorium etwa bei der Wahl der Hochschulleitung nicht mehr beteiligt sein (§ 55 neu). Bislang ist das Kuratorium berechtigt, "Vorschläge einmal an den Akademischen Senat zurückzuweisen" (§ 53 Abs. 2). Auch im für Kuratorien zentralen § 65 sollen die Befugnisse des Kuratoriums minimiert werden. Es soll künftig nur noch für die "Feststellung des Haushaltsplans" zuständig sein, nicht mehr für die "Billigung des Entwurfs".

Künftig soll das Kuratorium hingegen zuständig sein für "die Erörterung des jährlichen Rechenschaftsberichts des Präsidiums; es gibt hierzu eine Stellungnahme ab". Die Klausel, dass das Kuratorium im Übrigen zuständig ist "für die der Hochschule zugewiesenen staatlichen Angelegenheiten von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung" und im Zweifelsfall selbst entscheiden kann, "welche Angelegenheiten von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung sind", soll hingegen entfallen. Insgesamt wird dem Kuratorium damit klar eine lediglich beratende Rolle zugewiesen, keine mit Entscheidungsrechten.

Die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten warnt angesichts dieser und weiterer Veränderungen vor einer "massiven Beschneidung" der Leistungsfähigkeit der Hochschulen.