Echte Hochschulluft schnuppern

Marina Frost (Foto: Hertie School)

 
Dr. Marina Frost
, Vorsitzende des Hochschulrates der Technischen Universität Clausthal, geht in ihrem Beitrag der Frage nach: Wie kann der Austausch zwischen Hochschulrat und hochschulinternen Akteuren gelingen?
  
Foto: Hertie School

 
Der Hochschulrat hat – ungeachtet der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in den Ländern – vor allem wichtige Aufgaben bei der Aufsicht, Beratung und Strategiebildung der Hochschule. Da die Ländergesetze (teilweise ausschließlich) Externe als Mitglieder der Hochschulräte vorsehen, besteht die Gefahr, dass der Hochschulrat wie ein Raumschiff um die Erde (sprich: Hochschule) kreist und keine "Erdung" mit "seiner" Hochschule hat.

Was ist aber im Interesse aller Beteiligten die richtige Balance zwischen "Nähe" und "Ferne" und damit eine positive Erdung? Die notwendige enge Verbindung zur Hochschulleitung ist immens wichtig, sie vermittelt dem Hochschulrat EINE bestimmte Sichtweise auf die Hochschule. Der Werkzeugkasten für eine kommunikative Erdung des Hochschulrates birgt indessen viele Instrumente. Schauen wir uns als erstes die Instrumente an, die der Gesetzgeber vorsieht.

Zunächst ist hier die Erdung durch teilnehmende Gäste mit Rede-, aber ohne Stimmrecht zu nennen – ein Standardinstrument, das den direkten, regelmäßigen Meinungsaustausch ermöglicht und Eingang in viele Hochschulgesetze gefunden hat. Auf diese Weise erfolgt insbesondere die Einbeziehung der Gleichstellungsbeauftragten, des Personalratsvorsitzenden, von Studierendenvertretern oder eines Senatsvorsitzenden.

Offenbar kommen die Gesetzgeber in neuester Zeit zunehmend zu dem Schluss, dass dieses Standardinstrument nicht ausreicht und der Werkzeugkasten ergänzt werden muss. So soll, wie es in einer dieser ergänzenden Regelungen heißt, einmal im Jahr zusätzlich eine Gelegenheit zur Information und Beratung für Senatsmitglieder, Vertreter des ASTA, des Personalrats, der Schwerbehindertenvertretung, des Vertreters der Studierenden für behinderte und chronisch kranke Studierende gegeben werden. Neu findet sich in verschiedenen Landesgesetzen eine verstärkte Ansprache der Hochschulöffentlichkeit: die Sitzungstermine des Hochschulrates, die Tagesordnungen, ja sogar die wesentlichen Beschlüsse sollen bekannt gemacht werden. Als zentralem Hochschulorgan soll dem Hochschulrat wie der Hochschulleitung zudem die Erstellung eines Rechenschaftsberichtes obliegen, der zu veröffentlichen bzw. hochschulöffentlich zu diskutieren ist.

Nicht recht einzuordnen ist die Tendenz, dem Hochschulrat eine stärkere „Wahrnehmung“ zu geben: die Ratschläge des Hochschulrates sollen "gewürdigt" werden, laut einem anderen Gesetz "gewürdigt" UND "berücksichtigt" werden mit der Pflicht zur substantiierten Begründung bei Abweichung von Ratschlägen des Hochschulrates. Ist dies wieder als eine Annäherung an "aufsichtsratsähnliche" Regelungen gedacht? In einem anderen Bundesland wird der Hochschulrat sogar zu einer Art Beschwerdeinstanz, können dort "Bedenken" dem Hochschulrat schriftlich mitgeteilt werden, wenn eine Entscheidung des Präsidiums, des Erweiterten Präsidiums bzw. eines Dekanats Belange in Forschung und Lehre beeinträchtigen könnte.

Für das echte Leben im bunten Hochschulalltag erscheinen diese gesetzgeberischen Werkzeuge, die offenbar eine stärkere Anbindung des Hochschulrates an die Hochschule und eine gewisse Zuwendung zu ihren Mitgliedern herstellen sollen, ein wenig hölzern. Allein schon diese gesetzgeberischen Versuche sind aber erwähnenswert und sollten aufmerksam verfolgt bzw. diskutiert werden. Sicher wird die Kommunikation, werden Meinungsaustausch und die Wahrnehmung des Hochschulrates dadurch befördert. Aber in dem großen Werkzeugkoffer der internen Kommunikation befinden sich jenseits gesetzlicher Regelungen bereits bewährte Instrumente aufgrund eigener oder andernorts gemachter Erfahrung, und zusätzlich gibt es noch genügend Raum für neue Instrumente, die kreativ die Eigenheiten der jeweiligen Hochschulen aufnehmen.

So ist ein Austausch mit dem Senat in Form von gemeinsamen Sitzungen sehr zu empfehlen, am besten gut vorbereitet zu "Großthemen" wie Strategieentwicklung, Digitalisierung u.Ä., wobei auch der Meinungsaustausch neben der Sitzung von nicht geringer Bedeutung ist. Die Einladung von Gästen in die Hochschulratssitzung zu speziellen Themen weitet den Horizont ebenso wie das Abhalten von Sitzungen außerhalb der normalen Tagungsstätte – bei Institutsbesuchen schnuppert der Hochschulrat echte Hochschulluft, lernt bei Kurzvorträgen das Fach und seine Vertreter kennen. Anlassbezogen können auch Ausschüsse zu bestimmten Themen gebildet werden.

Nützlich wird sicherlich eine Diskussion mit den Dekanen sein, einen anderen Blickwinkel vermitteln Gespräche mit Studierenden, dem Personalrat, dem wissenschaftlichen Mittelbau und den Nachwuchswissenschaftlern; gerade der Zugang zu den letztgenannten Gruppen wird bei einer verringerten Anzahl der internen Hochschulratsmitglieder erschwert, ist aber für die Positionsbestimmung einer Hochschule auch für den Hochschulrat wichtig.

Eine "Sprechstunde" einzurichten, würde den Hochschulrat in die Nähe des operativen Geschäfts bringen, was nicht seines Amtes ist, und zudem viel Zeit kosten. Für "Probleme", auch zur Vermeidung einer Beschwerdeinstanz, gibt es gottlob die Geschäftsstelle des Hochschulrates; diese nimmt eine sehr beachtenswerte Pufferstellung zwischen Hochschule und Hochschulrat wahr. Die Geschäftsstelle kann als neutrale Ansprechpartnerin sowohl "Antenne" als auch "Strickleiter" sein und damit vermeiden helfen, dass der Hochschulrat wie das oben beschriebene Raumschiff agiert. Gerade die Frage, wie die Position der Geschäftsstelle als neutrale Ansprechpartnerin gestärkt werden kann, sollte gelegentlich vertieft werden. Hier gibt es bundesweit zahlreiche ungeklärte Fragen.

Welche Pfade der Kommunikation der Hochschulrat beschreitet, hängt letztlich von der jeweiligen Hochschule, den Mitgliedern des Hochschulrates, aber auch von der Hochschulleitung ab. Diese hochschulzugewandte Seite der Kommunikation des Hochschulrates birgt durchaus Konfliktpotential im Verhältnis zu der Hochschulleitung. Ein umsichtiger Hochschulrat stimmt sein Vorgehen mit dieser ab; Transparenz, Offenheit und Vertrauen sind in ihrem Verhältnis die entscheidenden Eckpfeiler. In seinem Handeln gegenüber "der Hochschule" achtet der Hochschulrat darauf, dass er bei seinem Streben nach "Erdung" nicht von Interessengruppen "vereinnahmt" wird und angemessen informiert, seinen gesetzlich normierten Aufgaben nachgehen kann.