Brückenbauer über den Campus hinaus

 
Kai Gehring,
Sprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Hochschulräte können gemeinsam mit Studierenden, Forschenden und einer für Veränderungen offenen Hochschulleitung einen "Campus for Future" entwickeln.
 
Foto: Thomas Koehler

Hochschulen sind von jeher ein Ort, um die großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit auszuhandeln. Dafür brauchen sie zum einen Freiheit – rechtlich wie finanziell. Und es ist die Aufgabe der politischer Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, diese Freiheit zu garantieren. Zum anderen brauchen sie dafür Perspektivenvielfalt und Offenheit, durch die Studierenden, Lehrenden und Forschenden genauso wie durch die Vernetzung mit der Gesamtgesellschaft. Hier kann Politik den richtigen Rahmen setzen und unterstützen, aber es kommt in erster Linie auf die gelebte Praxis an jeder Hochschule an. In der Kooperation mit Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Kultur und der Stadtgesellschaft insgesamt liegt großes Potential für neue Ideen und lokale wie regionale Innovationsökosysteme. Nicht nur für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis, sondern auch für die Einbringung gesellschaftlicher Perspektiven und Anliegen in die Wissenschaft. Dabei spielen Hochschulräte inzwischen eine wichtige Rolle. Nach rund 20 Jahren Praxiserfahrung in Deutschland sind sie vielerorts zu festen Brücken zwischen Campus und Communities der Gesellschaft geworden.

Gerade bei Themen, die über einzelne Handlungsfelder der Hochschulpolitik hinausgehen, ist die Erweiterung der Perspektiven durch Hochschulräte sehr wertvoll. So ist es bei der Geschlechtergerechtigkeit, der Innovationskraft, der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit. Ist ein Hochschulrat klug besetzt, kann er für die Weiterentwicklung der Hochschule wichtige Impulse geben. Eine große, aktuelle Herausforderung ist der Klimaschutz – das haben Students und Scientists for Future verdeutlicht. Dabei müssen ganz unterschiedliche Bereiche zugleich angepackt werden, vom klimaneutralen Bauen und Modernisieren der Infrastrukturen über die Beschaffung und Bewirtschaftung im Zeichen der Kreislaufwirtschaft bis hin zu entsprechenden Studiengängen und dem Transfer in die Anwendungspraxis. Um so etwas auf dem ganzen Campus umzusetzen, braucht es Antreiber. Und das können Hochschulräte – gemeinsam mit Initiativen von Studierenden und Forschenden sowie veränderungswilligen Personen in der Hochschulleitung – sein. Aus gelebter Kooperation kann sich ein Campus for Future entwickeln.

Gleichzeitig dürfen die Erwartungen an einen Hochschulrat auch nicht überfrachtet werden. Denn natürlich liegen solche komplexen Aufgaben nicht allein in seinen Händen und andere Akteure auf dem Campus treiben sie mit ebenso viel Engagement voran. Die Möglichkeiten eines Hochschulrats bleiben also, ebenso wie seine Zuständigkeiten, klar umrissen. Im komplexen Geflecht der autonomen Selbstverwaltung der Hochschulen ist er ein Akteur unter vielen und alle sind an den ihnen zugedachten Legitimationsrahmen gebunden. Dieses Verhältnis hat sich inzwischen vielerorts gut eingespielt, wozu sicherlich auch die bundesweite Vernetzung der Hochschulräte beigetragen hat.

Es ist ein guter Weg, hier Good Practice-Erfahrungen zwischen den verschiedenen Standorten auszutauschen, denn die oben beschriebenen Herausforderungen stellen sich quasi überall. Das gilt übrigens auch für die Abbildung gesellschaftlicher Vielfalt in den Hochschulräten selbst. Gerade die oberen Ebenen der Wissenschaft spiegeln noch lange nicht die Diversität unserer Gesellschaft wider, da sind viele Hochschulräte auch keine Ausnahme.

Die Debatte mit der Politik zu suchen, ist zweifellos anregend für alle Seiten. Gerade bei Budgetfragen der Hochschulen ist es zielführend, dem Haushaltsgesetzgeber und den Ministerien zu verdeutlichen, wie verantwortungsvoll vor Ort öffentliche Geldern eingesetzt werden. Ob und auf welche Weise die Hochschulräte dauerhaft in den vielstimmigen Chor der wissenschaftspolitischen Akteure einstimmen wollen, bleibt letztendlich ihnen selbst überlassen. Denn auch die Hochschulräte sind in den Ländern ja sehr vielfältig aufgestellt. Ich jedenfalls bin gespannt darauf, welcher Weg hier eingeschlagen wird, und freue mich auf den weiteren Austausch!