Prof. Dr. Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen, teilt einige Gedanken zum Ablauf einer Hochschulleitungswahl, die auf seinen ganz persönlichen Erfahrungen basieren.
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Gerade bei der Wahl der Hochschulleitung kann der Spannungsbogen zwischen Staat und Gesellschaft als Trägern sowie den Mitgliedern einer Hochschule mit ihrer Autonomie besonders deutlich zu Tage treten. Unabhängig davon, dass die ideale Hochschulleitungswahl natürlich eine Wunschvorstellung bleiben muss, muss man daher fragen: ideal für wen? Ideal für die Kandidatin oder den Kandidaten? Ideal für den Senat, um die verschiedenen Statusgruppen mit ihren Interessen einzubinden? Ich möchte, basierend auf meiner ganz persönlichen Erfahrung, einige Gedanken zur Hochschulleitungswahl mit Ihnen teilen.
Aus der Perspektive der Hochschule gilt es, die Kandidatin oder den Kandidaten zu identifizieren, die oder der am besten zur jeweiligen Institution passt. Das soll nicht heißen, dass hier keine Bestenauslese erfolgen soll, sondern dass gleichzeitig dem jeweiligen Profil und den individuellen Gegebenheiten Rechnung getragen werden muss. Um eine Vorauswahl zu treffen, kann es hilfreich sein, eine Agentur zu beauftragen, die jedoch in der Hochschullandschaft gut vernetzt sein muss, um geeignete Personen identifizieren und gezielt ansprechen zu können.
Aus meiner Sicht hat es sich bewährt, dass der Hochschulrat die Hochschulleitung (mit)wählt. Besonders die Außensicht externer Hochschulratsmitglieder kann hier sehr wertvoll sein. Dabei gilt es, eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu identifizieren, die oder der in der Hochschule Akzeptanz findet, gleichzeitig aber auf den Rückhalt des Hochschulrates zählen kann, auch wenn unangenehme Entscheidungen getroffen werden müssen. Ich verwende hier bewusst den Singular, denn nach meiner Erfahrung kann die hohe Vertraulichkeit des Verfahrens, die ich bei meiner Wahl zum Rektor sehr geschätzt habe, am besten gewährleistet werden, wenn die Findungskommission sich auf eine Person einigt, die sie der Hochschulwahlversammlung vorschlägt. Dieser Standpunkt kann sicher kontrovers diskutiert werden und es gibt ebenfalls gewichtige Argumente, die dafürsprechen, dass sich mehrere Kandidatinnen und Kandidaten in einem demokratischen Prozess einem hochschulöffentlichen Hearing stellen. Eine ebenso hohe Vertraulichkeit ist bei diesem Verfahren jedoch schwer einzuhalten.
Natürlich muss auch der Senat in die Wahl der Hochschulleitung einbezogen sein – dies ist aber nicht nur über die Hochschulwahlversammlung, sondern auch über die Findungskommission möglich, die beispielsweise in Nordrhein-Westfalen paritätisch mit Mitgliedern aus Senat und Hochschulrat besetzt ist. Ein guter Austausch zwischen beiden Gremien ist wichtig, der unter anderem durch die Teilnahme der Vorsitzenden an den Terminen des jeweils anderen Gremiums realisiert werden kann. Die Abstimmung im Einzelfall und die Kompetenzverteilung in der Hochschule bleibt letztlich eine Frage von Ausgleich, Diskussionsbereitschaft und Rollenbewusstsein. Die Hochschulgesetze liefern den rechtlichen Rahmen für Hochschulleitungswahlen, doch die Verrechtlichung der Prozesse allein reicht nicht, um produktiv wählen zu können – hierzu ist es erforderlich, dass alle Beteiligten das Wohl der Hochschule im Auge haben und dabei kompromissbereit und konsensorientiert arbeiten.