Dagmar Simon, Vorsitzende des Hochschulrats der Universität Paderborn, Geschäftsführerin EVACONSULT, meint: Damit ein Hochschulrat seine Aufgaben effizient erfüllen kann, müssen die externen Mitglieder wissen, wie "ihre" Universität in strategischen Fragen "tickt".
Foto: David Ausserhofer
Mit der neu gestalteten Hochschulgovernance, im Rahmen von New Public Management vor zwei Dekaden eingeführt, wurde ein verändertes Steuerungsmodell verfolgt: Rücknahme des staatlichen Einflusses durch die Ministerialbürokratie auf die Hochschulen und damit mehr Autonomie für letztere. Aufsichtsratsfunktionen der Ministerien gingen auf die neu etablierten Hochschulräte über, deren Aufgabenportfolio, Funktionen und Befugnisse von Bundesland zu Bundesland erheblich variieren.
In den Landesgesetzen werden dem Hochschulrat insbesondere drei Aufgaben zugewiesen:
Betrachten wir zunächst das Verhältnis Hochschulrat und Hochschulleitung, so stehen die Aufgaben Kontrolle und Beratung nicht im Widerspruch zueinander, sie müssen aber bewusst austariert werden. Hierfür ist ein klares Rollenverständnis der Mitglieder des Hochschulrats eine wichtige Voraussetzung. Bei der strategischen Beratung geht es primär um die Rolle des "critical friend", bei den Aufsichtsratsfunktionen um Kompetenz, Distanz und Kontrolle, um diese Aufgaben verantwortungsbewusst wahrzunehmen. Ein Selbstverständigungsprozess über seine Rolle ist für den Hochschulrat hilfreich, gerade in einer Zeit, die doch durch eine gewisse Dynamik im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem durch Förderinitiativen und neue Positionsbestimmungen geprägt ist.
Damit der Hochschulrat seine Aufgaben effizient erfüllen kann, müssen in erster Linie die externen Mitglieder wissen, wie "ihre" Universität in strategischen Fragen "tickt". Zentrale Schaltstellen sind die Fakultäten: Sie legen Qualitätsstandards für Forschung, Lehre und Transferausgaben fest, positionieren sich in der Nachwuchsförderung und der "legitimen" Karrierewege in der Wissenschaft. Es ist sicherlich nicht die Aufgabe eines Hochschulrats, sich in innerfakultäre Auseinandersetzungen einzumischen, aber eine Debatte über strategischen Herausforderungen, die möglicherweise zu einem besseren gegenseitigen Verständnis führt, kann nur von Vorteil für beide Seiten sein.
Die Politik, in Gestalt der zuständigen Ministerien, ist durch die Übernahme von staatlichen Funktionen durch die Hochschulräte keineswegs raus aus Spiel. Ein guter informeller Kontakt, eine Politik der kurzen Wege zur Politik, ist für den Hochschulrat immer hilfreich, bewährt sich aber besonders in Krisenzeiten. Aber es geht noch um mehr. In Nordrhein-Westfalen gibt es seit längerem die die "Konferenz der Vorsitzenden der Hochschulräte" (KVHU). In halbjährlichen Treffen tauschen sich die Vorsitzenden über anstehende Probleme und Herausforderungen aus und beraten bspw. die Novellierung des Hochschulgesetzes in NRW, Digitalisierungsstrategien oder aktuell die Auswirkungen der Pandemie auf den Unibetrieb. Die strategischen Fragen werden anlassbezogen mit Vertretern/innen des Ministeriums diskutiert, ein Austausch, der für beiden Seiten hilfreich ist. Und es ist nicht eine l’art pour l’art-Veranstaltung, sondern von Zeit zu Zeit sehen wir Wirkungen. Und das Ministerium hat hierdurch eine Ansprechpartnerin für anstehende aktuelle Themen. Ich will die KVHU nicht das ein "role model" für andere Bundesländer verkaufen, aber es lohnt sich sicherlich, darüber nachzudenken, ob ähnliche Modelle auch anderswo praktiziert werden sollten.
Ach, da war doch noch was: "Berücksichtigung von Anliegen der Gesellschaft in der Hochschule". Eigentlich eine etwas absurde Formulierung, denn die Hochschulen sind – in einer historischen Perspektive – neben den Kirchen entscheidende Institutionen der Gesellschaft. Der Begriff Transfer greift hier viel zu kurz, es geht um ein Wirken in gesellschaftliche Bereiche und vice versa um ein Aufnehmen gesellschaftlicher Fragen in den noch nicht ganz verschwundenen Elfenbeinturm und es geht vor allem um Kooperation. Hierfür kann und sollte der Hochschulrat – auch gerade durch seine personelle Zusammensetzung – die Rollen eines Initiators, Facilitator und als Reflexionsinstanz wahrnehmen.