Transfer-Kennzahlen zwischen Leistungsvergleich und Hochschulentwicklung

 
 
Andrea Frank
, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes
 
Foto: David Ausserhofer

Was ist eine Hochschule wert? Diese Frage wird auch heute noch ganz überwiegend daran gemessen, wie exzellent ihre Forschung ist. Gute Lehre und Erfolge im Wissensaustausch mit Wirtschaft und Gesellschaft lassen sich weniger eindeutig quantitativ und qualitativ fassen. Beim Handlungsfeld Transfer und Kooperation zeigt sich bereits bei der Definition des Handlungsfeldes eine große Vielfalt. Grundlage für die Entwicklung von Kennzahlen für dieses Handlungsfeld ist ein klares Transferverständnis, das beschreibt, worauf eine Hochschule im Wissensaustausch mit Wirtschaft und Gesellschaft fokussiert. Dieses Transferverständnis ist institutionenspezifisch und abhängig vom regionalen Umfeld, von den Disziplinen und den transferaktiven Forschenden, aber auch von den strategischen Zielen, die sich eine Institution gibt.

Noch vor einigen Jahren war Konsens: Wissenstransfer – das ist die technologieorientierte Verwertung von Forschung und die Kooperation mit Unternehmen. Sie wurde gemessen an Drittmitteln der Wirtschaft, Patenten oder auch Gründungen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler denken heute zunehmend darüber nach, wie ihre Arbeit das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben insgesamt verändern kann. Damit rückt der gesellschaftliche Wissenstransfer in seiner ganzen Breite in den Fokus. Dieser geht über die oben genannten Kennzahlen hinaus und bringt spürbare Impulse für Forschung und Lehre. Er reicht vom Technologietransfer, über Entrepreneurship, transferorientierter Lehre, Weiterbildung und Beratung bis hin zum Forschen und Entwickeln mit der Gesellschaft. Dieses breite und zugleich institutionell unterschiedliche Transferverständnis ist eine Herausforderung für die Nutzung von Kennzahlen – nicht nur in der Arbeit der Hochschulräte.

Gleichzeitig sehen wir in der wissenschaftspolitischen Debatte starke Impulse für eine quantitative und qualitative Erfassung der Erfolge und Leistungen im Handlungsfeld Transfer und Kooperation. Die drei zentralen Motivationen sind (1) der Wunsch nach einer datenbasierten Grundlage für die Hochschulentwicklung und die Profilbildung (2) die Kommunikation und Außendarstellung und (3) die notwendige Rechenschaftslegung gegenüber Stakeholdern.

Vor diesem Hintergrund – unterschiedliche Motivationen, profilspezifisches Transferverständnis, noch nicht klar umrissenes Handlungsfeld – sehen wir heute eine große Vielfalt an Kennzahlen und Erhebungsmethoden. Die Auswahl der Methode richtet sich dabei nach den Zielen und den Nutzungsszenarien, die eine Institution mit der Erhebung der Kennzahlen verfolgt. 

Drei Ziele und mögliche Instrumente werden im Folgenden kurz vorgestellt.

 

Der Vergleich mit ähnlich profilierten Hochschulen: Bei einem profilspezifischen Handlungsfeld wie dem Transfer braucht es für einen Leistungsvergleich eine bezogen auf das Transferprofil vergleichbare Gruppe an Hochschulen. Meist fokussiert der Leistungsvergleich auf Kennzahlen, die einen Ausschnitt der Transferaktivitäten in den Blick nehmen. Ein mögliches Instrument für den profilorientierten Leistungsvergleich ist der Gründungsradar des Stifterverbandes.

Der Gründungsradar vergleicht Hochschulprofile in der Gründungsförderung. Er nähert sich der quantitativen Erfassung einer Gründungskultur über die Erhebung von Indikatoren in den Dimensionen Gründungssensibilisierung, -qualifizierung und -unterstützung, institutionelle Verankerung, Gründungsaktivitäten und Netzwerkarbeit. Die Ergebnisse werden in Form eines Rankings in drei Vergleichsgruppen veröffentlicht. Das Ranking zeigt die Positionierung im Vergleich zu anderen Hochschulen, erlaubt eine Analyse nach den unterschiedlichen Dimensionen sowie das Nachvollziehen von Entwicklungen seit 2012.

Die Hochschulentwicklung und Profibildung: Damit Transfer als relevante wissenschaftliche Leistungsdimension gestärkt und systematisch entwickelt werden kann, ist mehr Transparenz über Transferaktivitäten und über profilspezifische Stärken und Entwicklungspotenziale erforderlich. Das Transferbarometer greift diesen Bedarf auf. Es stellt Wissenschaftseinrichtungen in der Praxis erprobte Indikatoren für die Erfassung und Darstellung des Wissenstransfers zu Verfügung.  Es umfasst eine Transfersystematik und einen Indikatorenbaukasten und wurde von fünf Hochschulen und sechs Helmholtz-Zentren gemeinsam von der Community für die Community entwickelt.

Die Transfersystematik ist der konzeptionelle Rahmen. Sie beschreibt die Bandbreite möglicher Aktivitäten und Formate in acht Transferfeldern ergänzt durch eine Darstellung erforderlicher institutioneller Voraussetzungen.  Neben einem wirtschafts- und technologienahen Transfer umfasst die Transfersystematik das gesamte Spektrum des Wissenstransfers und der Kooperation mit der Gesellschaft. Die institutionellen Voraussetzungen betrachten die Ausgangs- und Gelingensbedingungen für die Entwicklung einer Transfer- und Kooperationskultur. Mit der Transfersystematik können Hochschulen und Forschungseinrichtungen ihre spezifischen Transferprofile reflektieren, ihr Transferverständnis schärfen und dieses für die Entwicklung geeigneter Indikatoren und zur Profilierung nutzen.

Der Indikatorenbaukasten umfasst ein Set an erprobten Kern- und an optionalen Indikatoren für jedes Transferfeld sowie für die institutionellen Voraussetzungen. Mit diesem Set an standardisierten und erprobten Indikatoren können Hochschulen und Forschungseinrichtungen ihr Transferhandeln profilspezifisch erfassen und strategisch weiterentwickeln. In einem interaktiven Tool können die Indikatoren institutionenspezifisch zusammengestellt werden.

 
Schnelle Positionierung mit verfügbaren Statistiken: Manchmal braucht es aber auch lediglich einen Vergleich der Positionierung einer Hochschule anhand einzelner Kennzahlen. Das statistische Bundesamt stellt mit den Finanzkennzahlen eine umfassende Datenbasis zur Verfügung, die auch für das Handlungsfeld Transfer interessant sind. Insbesondere die Drittmittelstatistik gibt einen Eindruck, wie sich die Interaktion mit der Wirtschaft oder anderen privaten Drittmittelgebern entwickelt. Das Datenportal des Stifterverbands macht diese Daten einfach zugänglich, ermöglicht die individuelle Zusammenstellung und Darstellung von Hochschulvergleichen und bietet so eine Grundlage für datenbasierte Analyse und Diskussion im Hochschulrat.

 
Ganz egal, welches Ziel die Hochschule verfolgt,
wichtige Leitplanken für die Erhebung von Kennzahlen und die Nutzung von Daten müssen vorher klar und transparent für alle Beteiligten sein. Das sind insbesondere (1) die Ziele: Warum messe ich? (2) das Transferprofil. Was messe ich? (3) die institutionellen Ziele in dem Handlungsfeld: Was will ich überprüfen? (4) die (politischen) Rahmenbedingungen: in welchen Kontext erhebe ich?