Chancengerechtigkeit, Diversität und Nachhaltigkeit an der Georg-August-Universität Göttingen

 

Prof. Dr. Barbara Ischinger, stellvertretende Vorsitzende des Stiftungsrats der Stiftungsuniversität Göttingen, bescheibt die besondere Situation an ihrer Hochschule im Hinblick auf die Themen Chancengerechtigkeit, Diversität und Nachhaltigkeit.

Foto: David Ausserhofer

Die Universität Göttingen befindet sich seit dem 1. Januar 2003 in der Trägerschaft einer Stiftung des öffentlichen Rechts. Diese Struktur beinhaltet eine juristische Autonomie gegenüber dem Staat und einen Gewinn an eigenverantwortlicher Gestaltung. Anstatt eines Hochschulrats wurde ein Stiftungsrat eingesetzt, dem eine Vielzahl von Befugnissen übertragen wurde: Er ist Berater der Universität, bewacht die Tätigkeit des Präsidiums der Stiftung und nimmt unter anderem eine wichtige Rolle im Bereich Berufungen ein.

Das Thema Chancengerechtigkeit hat insbesondere in den Pandemie-Jahren eine wichtige Bedeutung erhalten, die auch der Stiftungsrat aufmerksam verfolgte. Die Folgen dieser Pandemie treffen und trafen nicht alle Mitglieder und Angehörigen der Universität in gleicher Weise; Frauen werden durch den Zuwachs an Sorgearbeit (Krankheit der Kinder bzw. 2020 bis 2021 teilweise Schließung der Schulen und Kitas) stärker getroffen. Solange die Pandemie anhält, müssen alle universitären Prozesse so gestaltet werden, dass alle Mitarbeitenden und Promovierenden ihren Sorgepflichten nachgehen können. Auch die weitere Benachteiligung von vulnerablen Gruppen muss verhindert werden.

Die Bereiche Berufungen und Gleichstellung sind einem gemeinsamen Ressort zugeordnet; die zuständige Vizepräsidentin unterrichtet regelmäßig den Stiftungsrat. Das Dorothea-Schlözer-Programm für Postdoktorandinnen wurde umgewandelt in ein Stellenprogramm. Die Coaching- und Mentoring-Programme wurden hochgefahren und ein Tenure Track für Juniorprofessorinnen eingeführt; und diese Maßnahmen wurden noch vor den Empfehlungen der Leopoldina ergriffen. Neue Anstrengungen werden unternommen, um den Frauenanteil bei der Besetzung von Gremien und der Vergabe von Preisen zu erhöhen.

Die Diversitätsstrategie der Universität Göttingen hat wichtige Komponenten, die auch die Gesellschaft der Stadt ansprechen und einbeziehen sollen. Die Strategie beinhaltet, dass die Aktionen mit Partnerinnen und Partnern der Stadt und der Region transformativ verbunden sind. Im Jahr 2019 hat der Stifterverband die Universität Göttingen zum Abschluss eines zweijährigen Prozesses mit dem Zertifikat des Diversity Audits "Vielfalt gestalten" ausgezeichnet. Der Stiftungsrat begrüßte diese Leistung.

Es hat sich bewährt, die Ressorts Chancengleichheit und Diversitätspolitik einer Vizepräsidentin zu unterstellen, da sich diese Aufgabenbereiche überschneiden. Die Stabstelle Chancengleichheit und Diversität leistet hier wichtige Arbeit und berichtet regelmäßig im Stiftungsrat. Im Jahr 2013 wurde auch ein Institut für Diversitätsforschung gegründet, das die Arbeit begleitet.

Ein Hemmnis für einen umfassenden Kulturwandel an der Universität liegt im Landeshochschulgesetz, das bislang einen wenig systematisch angelegten Umgang mit Diversität reflektiert; die Universitäten sind der Praxis näher. Auch die unzureichende finanzielle Ausstattung und der Datenschutz behindern diese Arbeit.

Im Bereich Nachhaltigkeit sieht sich die Universität Göttingen in einer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung und Vorbildfunktion. Die Universität will Transformationsprozesse auf verschiedenen Ebenen mitgestalten (Lehre und Studium, Forschung, Universitätsbetrieb, Third Mission). Die Universität ist das größte Unternehmen und der größte Arbeitgeber der Stadt. Sie unterstützt den Klimaplan 2030 der Stadt Göttingen. Es gibt einen internen Maßnahmenplan mit konkreten Zielen. Der "Nachhaltigkeits-Koordinator" leitet das "Green Office" der Universität und er kooperiert mit der Senatskommission "Klimaschutz". Eine zentrale Website veröffentlicht alle Universitäts-Projekte, die dem Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz gewidmet sind.

Die Universität Göttingen verdankt ihrer ehemaligen Präsidentin Beisiegel und dem verstorbenen Bundestagsabgeordneten Oppermann eine phantastische Einrichtung: das Forum Wissen, einen prächtigen renovierten Bau, der eine Basisausstellung mit Bezug zu den unterschiedlichen Sammlungen und auch Forschungsbereichen beherbergt, sowie auch Räumlichkeiten für eine Sonderausstellung anbietet. Die erste Sonderausstellung ist dem Thema "Nachhaltigkeit erkunden" gewidmet; diese Ausstellung ist einem Forschungsprojekt mit der indonesischen Universität in Jambi, Sumatra, gewidmet und will zeigen, wie Umweltschutz, wirtschaftliche Erträge und lokale Bedürfnisse unter der Prämisse der Nachhaltigkeit miteinander verbunden werden können. Nach dem Weggang der Präsidentin Beisiegel und dem Tod von Thomas Oppermann war dieses Projekt in den Jahren 2019/2020 ernsthaft gefährdet und überlebte letztendlich aufgrund der starken Fürsprache des Stiftungsrats. Diese Einrichtung verdeutlicht auf beste Art und Weise, wie die Brücke zur Gesellschaft gebaut werden kann, aber auch andere – weniger spektakuläre Initiativen – wie zum Beispiel die "Kinderuniversität", der Tag der offenen Türen, der oben erwähnte gemeinsame Klimaplan mit der Stadt und andere Aktivitäten sind hierfür geeignet.