Nachhaltige Implementation einer Nachhaltigkeitsstrategie in Hochschulen

 

Prof. Dr. Antonia Kesel, Hochschulratsvorsitzende der TH Ostwestfalen-Lippe, betrachtet die dreidimensionale Verflechtung unterschiedlicher Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf den Mikro-, Meso- und Makro-Ebenen.

Foto: David Ausserhofer

 

Folgt man der Definition des Reports der Brundland-Kommission aus 1987, so geht das Verständnis von Nachhaltigkeit über die rein ökologische Dimension (Bewahrung der Biodiversität, Klimaschutz etc.) deutlich hinaus. Inkludierte Handlungsfelder sind hierbei ebenso Ökonomie wie soziale Gerechtigkeit, somit werden auch die Aspekte Diversität und Chancengleichheit mit umfasst. Danach kann Nachhaltigkeit dann erreicht werden, wenn Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit quasi als Dreiklang eng miteinander verwoben sind. Allerdings zeigen die bundesweiten Defizite nicht nur an den Hochschulen, dass eine dezidierte Heraushebung von Strategien wie Maßnahmen zu Themen der Diversität wie Chancengleichheit mitnichten obsolet ist und daher unter dem Begriff "Nachhaltigkeit" nicht pragmatisch "mitgemeint" sein dürfen. Gleicher Handlungsbedarf wie erforderliche Visibilität gilt indes nicht minder für die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit.

Allerdings resultiert selbst bei einer auf ökologische Aspekte verkürzten Nachhaltigkeits-Definition für Hochschulen die Herausforderung, eine Nachhaltigkeitsstrategie mit adäquaten Konzepten und Maßnahmen für unterschiedliche Handlungsfelder sowie unterschiedliche Akteure zu entwickeln.

Wie kann das gelingen? Der hochschulübliche Reflex, etwa Einrichtung einer Stabsstelle für Nachhaltigkeit, kann und darf hierbei sicherlich lediglich eine von vielen Maßnahmen sein. 
Um eine wirkstarke Implementierung von Nachhaltigkeit im Gefüge einer Hochschule zu erreichen, sollte nicht zuletzt eine eindeutige Positionierung auf Leitungsebene, etwa in der Denomination der Vizepräsidentinnen ud Vizepräsidenten bzw. der Konrektorinnen und Konrektoren, unverkennbar sein. Dieser sollte jedoch nicht minder deutliche top-down-eskalierte Präsenz auf allen Organisationsebenen folgen. Deren Erfolg resultiert maßgeblich aus der Integration und gleichberechtigten Beteiligung aller Hochschulmitglieder.

Daraus resultiert Arbeitshypothese I: Nachhaltigkeit bedarf sowohl einer aktiv visiblen Repräsentanz auf Leitungsebene wie möglichst breitgefächerten Aktionsebenen quer durch alle Statusgruppen.

Darüber hinaus darf nicht verkannt werden, dass Nachhaltigkeit eine systemische Eigenschaft hochgradig vernetzter wie verwobener Wirkebenen ist. Selbst bei einem auf Ökologie verkürzen Nachhaltigkeitsverständnis lassen sich Akteure wie Handlungsebenen, in vergleichsweise grober Skalierung, zumindest drei Ebenen zuordnen: Mikro-, Meso- und Makro-Ebene. Diese unterscheiden sich in ihrer Wirkmächtigkeit sowie durch unterschiedliche Beteiligungsgruppen.

Arbeitshypothese II: Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsstrategie resultiert aus einer dreidimensionalen Verflechtung unterschiedlichster Maßnahmen auf zumindest drei Handlungs-Ebenen.

  • Die Mikro-Ebene (Hochschule als Arbeits- und Lern-Raum)
    Auf der Mikro-Ebene findet sich eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen, deren Impact zunächst überschaubar erscheint, als Gesamtbündel jedoch nicht unterschätzt werden darf. Hierzu zählen exemplarisch der flächendeckende Wechsel von konventionellen Leuchtmitteln zu LED, der Austausch von veralteten Photovoltaik-Anlagen durch leistungsfähigere Systeme, die Begrünung von geeigneten Flächen wie etwa Dachanlagen, der Aufbau eines "Campus-Leihrad-Systems" ebenso wie der Ausbau des betrieblichen Gesundheitssystems durch Kochworkshops mit Fokus auf Regionalität wie vegane Ernährung und vieles mehr.
  • Die Meso-Ebene (Hochschule als Forschungs- und Bildungs-Raum)
    Hierbei wird die Hochschule als Lehr- und Forschungsinstitution umfasst, die in Forschungsprojekten zu Nachhaltigkeitshemen oder zumindest unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten neue Ansätze und Erkenntnisse etabliert und in Transferprozessen in die Anwendung überführt. Besondere Bedeutung kommt auf der Meso-Ebene erwartungsgemäß dem Lehrbetrieb der Hochschulen zu. Das betrifft sowohl die Konzeption thematisch relevanter Studiengänge, beispielhaft etwa Programme zu "Umweltingenieurwesen", "Energietechnologie" oder "Abfallwirtschaft", wie insbesondere durch die Integration von entsprechenden Lehrinhalten in – nach Möglichkeit – alle Studiengänge aller Fachbereiche und Fakultäten. Die obligate Integration in die Curricula ist mit großer Wahrscheinlichkeit die nachhaltigste aller Bemühungen, Nachhaltigkeitsaspekte dauerhaft in die Bildung zu integrieren. 
  • Die Makro-Ebene (Hochschule als Impulsgeber im gesellschaftlichen Raum)
    Das Aktionsfeld der Makro-Ebene sieht die Hochschule im gesellschaftlichen Rahmen, als Impulsgeberin wie Transferinstitution von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in den sie umgebenden Raum, in ihre Ökosphäre. Hierbei inkludiert sie Menschen weit über den Bereich der Hochschulangehörigen hinaus und erweitert damit den Einfluss- wie Wirkungsbereich beträchtlich. Unterstützt durch strategische Allianzen mit weiteren Hochschulen und Ausbildungsinstitutionen, politisch Verantwortlichen sowie Bürgerbeteiligung im regionalen Raum lässt sich die Auswirkung von Nachhaltigkeit sowohl erhöhen als auch verstetigen.

 
Was hilft auf dem Weg zur wirkungsvollen Nachhaltigkeitsstrategie? 

Die Bemühung um Nachhaltigkeit an den Hochschulen ist nun wirklich nicht neu. Seit geraumer Zeit lassen sich zahlreiche Aktivitäten und Konzepte erkennen, Nachhaltigkeit wirkungsvoll im Gesamtkonzept zu verankern. Teils werden bereits markante Profilelemente mit einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung verbunden und dadurch neu sichtbar. Vieles ist auf dem Weg und zeigt durchaus bereits Wirkung. Vieles braucht aber sicherlich noch Unterstützung wie Unterstützende. Und Vieles ist Vielen an der eigenen Hochschule nicht selten unbekannt.

Hilfreiche Gegenmaßnahme wie Unterstützungselement ist das Zusammenführen von Aktionen und Idee, von Erfolgen wie weniger Gelungenem, von Fragen und Antworten. "Tue Gutes und rede darüber!" war wohl selten treffender. Um effektvoll wie nachhaltig zu sein, bedarf es hier einer Struktur wie einer Anlaufstelle, die Sichtbarkeit und Beteiligung aller Beteiligten, quer über die Fachkulturen wie Statusgruppen, ermöglicht – hier gerne die hochschultypische Stabsstelle, in der die weitläufigen Fäden des dreidimensional verwobenen Nachhaltigkeitsgeflechtes zusammenlaufen.