Neue Lernarchitekturen:
Das XLAB Göttinger Experimentallabor für junge Leute

Eva-Maria Neher (Foto: David Ausserhofer)

 
Prof. Dr. Eva-Maria Neher
, Direktorin i.R. der XLAB Stiftung zur Förderung der Naturwissenschaften, über die Entstehung und Erfahrung mit dem Experimentallabor XLAB: Das Konzept ist es, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie junge Menschen an einen Ort zusammenzuführen, an dem informell ein intensiver Austausch möglich ist.

Foto: David Ausserhofer

 

Studierendenzahlen und die Anzahl von Schulabgängern mit Hochschulberechtigung beschäftigen die Bildungseinrichtungen und die Entscheidungsträger in den Ministerien immer wieder. 1950 lag die Zahl der Studierenden an deutschen Hochschulen bei rund 100.000; Anfang der 1970er-Jahre wurde eine halbe Million erreicht, gefolgt von einem raschen Anstieg der Studierendenzahlen auf eine Million bis 1980, und 40 Jahre später sind es fast drei Millionen. Es wundert also nicht, dass mit dieser Entwicklung auch enorme Bautätigkeiten verbunden waren.

Infolge der demografischen Entwicklung stagnieren die Studierendenzahlen seit einigen Jahren. Ob eine weitere Steigerung der Gesamtzahlen wünschenswert und sinnvoll wäre, ist eine offene Frage. Fachspezifische Betrachtungen hingegen haben besondere Bau- und Umbauaktivitäten und notwendige Sanierungen an den Hochschulen nach sich gezogen haben.

So war ab Mitte der 1990er-Jahre der Rückgang an Studierenden in den Naturwissenschaften, Mathematik und Technik besorgniserregend. Die Anforderungen an das Abitur wurden nachjustiert. Auf der anderen Seite wurden neue Institutionen, die "Schülerlabore", gegründet, die ersten 1999, und heute sind es rund 350 Schülerlabore und ähnliche Institutionen. Die Initiatoren waren zunächst Einzelpersonen, die sich um die Bildung der Kinder in den naturwissenschaftlichen Fächern gesorgt haben. Die Ideen wurden von Hochschulen und Unternehmen aufgegriffen, und die Gründung von Laboren, in denen Schülerinnen und Schüler durch eigenes Experimentieren Erkenntnisse gewinnen und motiviert werden sollten, ein Studium in diesen Fachrichtungen aufzunehmen, stieg sprunghaft an.

Eines der allerersten Schülerlabore war das XLAB Göttinger Experimentallabor für junge Leute e.V. Der damalige Wissenschaftsminister, Thomas Oppermann, hat das Konzept des XLAB aufgegriffen und mit der Entscheidung "Das XLAB muss gebaut werden" bahnbrechendes in die Wege geleitet. Die Labore waren – anders als dies für Forschungslabore üblich ist – auf die Besonderheiten eines Lernlabors angelegt und ausgestattet. Das fünfstöckige Gebäude – fertiggestellt 2004 – strahlt heute noch in seinen leuchtenden Farben auf dem Campus der Universität und ist für die jungen Leute ganz sicher auch identitätsstiftend.

Die Architektur des XLAB, konzipiert von dem jungen Team Bez+Kock aus Stuttgart, ist auch konstruktiv eine Besonderheit, da es eines der ganz wenigen Bauten in Deutschland und Europa ist, die als Hängehaus errichtet wurden. Das XLAB Göttinger Experimentallabor für junge Leute steht nicht nur den Schülerinnen und Schülern der Region zur Verfügung, sondern jungen Menschen aus ganz Deutschland, den europäischen Nachbarländern und aus der ganzen Welt. Es war also kein Wunder, dass die Kapazitätsgrenzen schon nach wenigen Jahren des Betriebs erreicht waren, wobei es insbesondere an Beherbergungsmöglichkeiten fehlte. Schon 2006 begannen die Bemühungen um einen Erweiterungsbau, und 2012 gelang der XLAB Stiftung der Erwerb eines fast 4000 qm großen Geländes. Der erste Schritt zur Realisierung!

Besonders reizvoll ist die fußläufige Entfernung zum Laborgebäude des XLAB, eine zwingende Voraussetzung für die konsequente Umsetzung des Konzeptes. So wie bei der Entscheidung über den Standort des XLAB-Laborgebäudes die räumliche Nähe zu den Forschungseinrichtungen auf dem Campus bestimmend war, so ist es jetzt die Entfernung zwischen XLAB Begegnungszentrum und XLAB Laborgebäude.

Mit der Planung des "XLAB Begegnungszentrums mit Wohntrakt" wurden wieder die Architekten Bez+Kock beauftragt, und im Frühjahr 2023 konnte mit dem Bau endlich begonnen werden. Der Baukörper besteht aus zwei Türmen, die über einem später unter der Oberfläche liegenden verbindenden Untergeschoss liegen. Das Foyer und die zwei Multifunktionsräume öffnen sich nach Westen mit einer großen Glasfront. Über diesem Geschoss befindet sich in einem Turm der Verwaltungstrakt mit kleinen Besprechungsräumen, und in dem anderen Turm ist ein Speiseraum mit Küche und Nebenräumen. Das dritte und vierte Stockwerk ist in beiden Türmen für die Beherbergung von Schülerinnen und Schülern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vorgesehen. Die Ausstattung der Gästezimmer ist an die unterschiedlichen Zielgruppen angepasst, und die Möblierung soll entsprechend flexibel gehalten werden.

Das Konzept ist es, Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und junge Menschen an einen Ort zusammenzuführen, an dem informell ein intensiver Austausch möglich ist. Angesprochen werden sollen Schülerinnen und Schüler aus dem In- und Ausland, Studierende zum Beispiel einer Graduiertenschule, spezieller Sommerschulen der Studienstiftung und anderer Bildungseinrichtungen. Insbesondere den Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer des XLAB und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Internationalen Science Camps des XLAB soll ein Rahmen geboten werden, in dem vielfältiger interkultureller Austausch möglich wird. Konzept und Architektur konnten wie beim "XLAB-Experimentallabor" auch beim "XLAB-Begegnungszentrum mit Wohntrakt" in enger Abstimmung zwischen Architekt und Bauherr in Einklang gebracht werden.