Wechselbeziehungen zwischen Hochschulstrategie und Hochschulbau

Christina Reinhardt (Foto: David Ausserhofer)

 
Dr. Christina Reinhardt,
Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum, zeichnet zwei Beispiele nach, in denen Hochschulbau zur Chefinnensache wurde. Manchmal gibt es Situationen, in denen sich – in der Regel durch Krisen – Chancen auftun.

Foto: David Ausserhofer

 

Wer träumt nicht davon: Hochschulbau als in Beton gegossene Hochschulstrategie. Die Realität sieht jedoch leider etwas anders aus: Die Planungszyklen im Hochschulbau sind so lange, dass die bauliche Situation an den Hochschulen in der Regel den Anforderungen, die aus Lehre und Forschung kommen, zwangsweise immer mindestens ein ganzes Jahrzehnt hinterherhinken.

Dennoch gibt es manchmal Situationen, in denen sich – in der Regel durch Krisen – Chancen auftun, in denen es darum geht, strategische Entscheidungen zu treffen und Möglichkeiten so zu interpretieren und zu nutzen, dass sie der Universität einen großen Entwicklungsschritt ermöglichen. Das sind dann die Situationen, in denen Hochschulbau zur Chefinnensache wird.

An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gibt es aktuell zwei Beispiele, an denen man dieses Nutzen von außergewöhnlichen Möglichkeiten gut nachzeichnen.

Konkret geht es um zwei wesentliche Handlungsfelder aus dem Hochschulentwicklungsplan. Die Ruhr-Universität Bochum hat es sich darin zum Ziel gesetzt, sich bis zum Jahr 2025 als eine der zehn gründungsstärksten Universitäten zu etablieren. Außerdem bekennt sich die Ruhr-Universität zu den Zielen der Nachhaltigkeit und zu einer nachhaltigen CampusEntwicklung.

 

Transferstrategie, Gründungen und Förderung von Start-ups

Als 2014 der letzte Opel in Bochum vom Band rollte und der Weggang von Opel und der Verlust der letzten 3.500 Arbeitsplätze beschlossene Sache war, verfügte Bochum plötzlich über eine der größten zusammenhängenden beplanbaren Bauflächen in Europa. Es galt, eine Fläche von 70 ha zu vermarkten und den Verlust der Arbeitsplätze so schnell wie möglich auszugleichen. Die Stadt Bochum und die Ruhr-Universität unterschrieben 2015 einen gemeinsamen Letter of Intent, in dem vereinbart wurde, dass die RUB – die mit insgesamt 36 Außenliegenschaften längst keine klassische Campusuniversität mehr war – als "first mover" auf dem ehemaligen Opel-Gelände Flächen reserviert und bei der Planung der Flächen mit gestalten kann. Das Rektorat verabschiedete auf dieser Grundlage eine dreipolige Campusentwicklungsstrategie, die vorsah, dass die RUB neben dem Hauptcampus im Süden von Bochum ihre weitere Standortentwicklung zum einen auf die Innenstadt und zum anderen auf das ehemalige Opel-Gelände – nun als "Mark 51°7" bezeichnet – konzentriert.

Mit Hilfe von zwei erfolgreichen Forschungsbauanträgen, die heute ihren Platz auf Mark 51°7 haben, der Anmietung des ehemaligen Opel-Verwaltungsgebäudes für alle transferorientierten Angebote der RUB und den Planungen für ein Gebäude für die Informatikfakultät löste die RUB ihre Zusagen ein. Dies hatte Signalwirkung für all jene Firmen, die technologieaffin sind und bewusst die Nähe zu einer Univeristät suchen – um die entsprechenden Fach- und Führungskräfte finden zu können und um in gemeinsamen Projekten Forschung und Entwicklung vorantreiben zu können.

Heute – im Jahr 2023 – sind die Flächen von Mark 51°7 zu 80 Prozent verkauft. Die Firmen­ansiedlungen, die Bochum auf diese Weise zusätzlich realisieren konnte, schaffen in Summe rund neue 14.000 Arbeitsplätze.

 

Arbeiten, Lehren und Forschen in Flächen der Zukunft

Corona veränderte die Arbeitswelt massiv: An der Ruhr-Universität Bochum nutzen mittlerweile über 3.000 Beschäftigte die Dienstvereinbarung zur ortsflexiblen Arbeit und die damit verbundene Möglichkeit, bis 60 Prozent ihrer Arbeitzeit mobil zu erbringen. Dies hat massive Auswirkungen auf die Nutzung von Fächen an der RUB, insbesondere im Bereich der Büroarbeitsflächen. Aber nicht nur die Anforderungen an Büroarbeitsflächen änderte sich massiv, auch in der Lehre müssen Räume an die veränderten Lehr- und Lernformen angepasst werden. In der Forschung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass "Shared Facilities" – also die gemeinsam Nutzung von Forschungsinfrastruktur – angesichts der stetig steigenden Kosten für Umbauten und Beschaffungen und Energie – unausweichlich ist.

In ihrem Hochschulentwicklungsplan hat sich die RUB die nachhaltige Nutzung von Ressourcen zum Ziel gesetzt – damit die oben genannten Veränderungen systematisch genutzt werden können, um sie im Sinne der Nachhaltigkeit vorantreiben zu können, wurde an der RUB ein Projekt aufgesetzt, welches den Titel "Flächen der Zukunft" trägt. In dem Projekt sollen basierend auf den jeweiligen Anforderungen im Bereich Lehre, Forschung und Büroarbeit eine ganzheitliche Strategie zur zukünftigen Nutzung von Flächen, Infrastruktur und Räumem entwickelt werden.

Das Teilprojekt der "Büroarbeitsflächen der Zukunft" hat das Ziel, die Nutzung von Büroarbeitsflächen perspektivisch um rund 20 Prozent zu reduzieren, angemietete Flächen entsprechend abzugeben und damit Miete und Betriebskosten zu sparen. Es geht im Projekt unter anderem darum, Anreizmodelle zu entwickeln, mit denen Einrichtungen motiviert werden sollen, an Modellprojekten zum Desk Sharing teilzunehmen und ihren Beitrag zur Reduktion von Flächen und Ressourcen zu leisten.

Dass dieses Thema ebenfalls Chefinnensache ist, zeigt sich nicht nur an der Beauftragung uns Ausstattung des genannten Projekts, sondern auch daran, dass ich als Kanzlerin frei nach dem Motto "Führen heißt vor allem Vorbild sein" im Jahr 2021 mein eigenes Büro aufgegeben habe und selbst Teil eines Modellprojekts zum Desk Sharing bin.