Prof. Dr. Michael Stürner, Prorektor für Lehre an der Universität Konstanz, schildert am Beispiel seiner Hochschule, welche Unterschiede es bei Bachelor- und Masterstudiengängen in Bezug auf die Studierendenzahlen gibt und welche Rolle die internationalen Studierenden sowie Kooperationen dabei spielen.
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Alle Hochschulen konkurrieren um eine begrenzte Zahl an inländischen Studieninteressierten. Dabei ist es meist schwierig, auch überregional Studierende anzuziehen, insbesondere dann, wenn der Standort nicht von der Anziehungskraft einer attraktiven Metropole wie Berlin oder München profitieren kann. Dies gilt in erster Linie für die Bachelorstudiengänge. Befragungsergebnisse aus Konstanz bestätigen, dass für Abiturientinnen und Abiturienten die Wahl des Hochschulstandorts stark von der Nähe zum Heimatort beeinflusst ist. Die genaue Ausrichtung des Studiengangs, das Renommee der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Forschungsschwerpunkte der Fakultät, ein Exzellenztitel o.Ä. spielen – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle für die Standortentscheidung.
Wie viele Studieninteressierte sich am Ende für einen Standort entscheiden, hängt somit auch von Faktoren ab, auf die eine Hochschule keinen oder nur einen begrenzten Einfluss hat. Konstanz ist – trotz guter wissenschaftlicher Reputation, hohem Freizeitwert und wenigen Konkurrenzstandorten in der Region – angesichts der schlechten Verkehrsanbindung und sehr hohen Mieten von eher schwierigen Bedingungen gekennzeichnet. Verschärft wird dies durch die Lage unmittelbar an der Schweizer Grenze, welche das geographische Einzugsgebiet der Hochschule wegen der in Baden-Württemberg geltenden Gebührenregelung praktisch halbiert.
Größer erscheinen die Handlungsspielräume bei den Masterstudiengängen, was sich daran zeigt, dass an der Universität Konstanz inzwischen mehr als die Hälfte der Masterstudierenden ihren vorhergehenden Bachelorabschluss an einem anderen Standort erworben haben. Dabei erfahren thematisch attraktive, inhaltlich profilierte Studiengänge zu Zukunftsthemen mit potenziell guten Berufsaussichten stärkeren Zulauf, während der konsekutive, dem Bachelor gleichlautende Master in vielen Fächern an Attraktivität verliert.
Werden Masterstudiengänge auf Englisch angeboten, kann auch eine substanzielle Anzahl an internationalen Studierenden gewonnen werden. Ihr Anteil beträgt in diesen Studiengängen an der Universität Konstanz inzwischen etwa 30 Prozent, obwohl mit Ausnahme der Informatik die klassischen Fächer mit hohem internationalem Anteil fehlen. Spezielle Studienprogramme wie "Erasmus Mundus Joint Master"-Programme versprechen deutlich höhere Anteile. Die Befürchtung, dass ein englisches Studienangebot von inländischen Studieninteressierten als Hindernis angesehen wird, kann zumindest beim Master nicht bestätigt werden. Entscheidend ist hierbei, dass sich die thematische Attraktivität des Studiengangs bereits in seinem Titel widerspiegelt und dass die Erwartung der meisten internationalen Studieninteressierten erfüllt wird, ein klar ausgewiesenes Studienprogramm mit lange im Voraus feststehenden Veranstaltungstiteln und schnell erfassbarer Struktur wählen zu können.
So lässt sich auch in bestehenden Studienprogrammen der Anteil internationaler Studierender steigern. Ein erfolgreicher Weg kann hier die Einrichtung von Double-Degree-Programmen auf Basis enger Kooperationen mit internationalen Partnerinstituten sein. Auf diese Weise können zudem Schwerpunktsetzungen im Curriculum verstärkt oder ergänzt und die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit bestimmten Hochschulräumen gezielt ausgebaut werden.
So besteht durchaus Potenzial, einen demographiebedingten Rückgang bei einheimischen Studierenden durch einen Anstieg der Zahl der internationalen Studierenden kompensieren zu können. Dem entgegen steht derzeit noch der Standortnachteil der Hochschulen im Land Baden-Württemberg, seit dem Wintersemester 2017/18 Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende (1.500 Euro pro Semester) erheben zu müssen. Nicht zuletzt deswegen ist die Zahl der internationalen Studierenden im Land in den fünf Jahren zwischen den Wintersemestern 2016/17 und 2021/22 um neun Prozent zurückgegangenen, während sie im Schnitt aller Bundesländer im gleichen Zeitraum um 32 Prozent zugenommen hat. Umgehen lässt sich dieses Hemmnis durch den Abschluss von Kooperationsverträgen mit internationalen Hochschulen, die eine gegenseitige Gebührenfreiheit vorsehen. Mit diesem Instrument arbeitet die Universität Konstanz bei ihrer engen Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Thurgau in der benachbarten schweizerischen Stadt Kreuzlingen im Bereich der Lehrkräftebildung.
Auch besteht die Möglichkeit, gebührenfreie Angebote in der Art eines Gaststudiums zwischen einer Gruppe von Hochschulen zu ermöglichen, wie das Beispiel des als EVTZmbH organisierten Wissenschaftsverbunds Vierländerregion Bodensee als dem mit 25 beteiligten Hochschulen größten hochschulartenübergreifenden Verbunds Europas zeigt. Dieser kann die Sichtbarkeit des Lehrangebots einer Hochschule wie der Universität Konstanz erhöhen und Zeitstudierende anziehen; als Rekrutierungsinstrument für Degree Seeking Students eignet er sich jedoch angesichts der Studiengebühren und unterschiedlichen Bildungsräume nur bedingt. Erfolgversprechender ist demnach die bereits erwähnte Einrichtung thematisch spezialisierter, zukunftsweisender und gute Berufsaussichten vermittelnder englischsprachiger Studiengänge mit attraktivem Profil und klarer Ausweisung des erwartbaren Studienprogramms – das entsprechende wissenschaftliche Profil einer Lehreinheit vorausgesetzt oder über eine entsprechende Berufungspolitik erreichbar.