Prof. Dr. Carola Jungwirth, Inhaberin des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Governance an der Universität Passau, beleuchtet die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen eines Strategieprozesses aus ihrer Zeit als Präsidentin der Universität.
Foto: Bettina Ausserhofer
In diesem Kurzbeitrag gebe ich einen Einblick in meine Amtszeit als Präsidentin der Universität Passau von 2016 bis 2020. Als Universitätsleitung standen wir vor der Herausforderung, das auf Exzellenz in der Lehre basierende Selbstverständnis der Universität an die dynamischen Anforderungen des forschungsorientierten Wissenschaftssystems anzupassen. Gefragt war eine starke, unverwechselbare Identität in Richtung Forschungsorientierung, die eine Abkehr vom Universitätsmotto "Studieren, wo andere Urlaub machen" erforderte.
Die 1978 gegründete Universität Passau hat sich zu einer national und international anerkannten Bildungseinrichtung mit rund 11.000 Studierenden und fünf Fakultäten entwickelt. Gerade wegen dieser guten Reputation war es schwierig, die Professorenschaft davon zu überzeugen, die Universität national und international in Richtung Forschung zu positionieren. Unsere Bemühungen um klare und transparente Strukturen wurden positiv aufgenommen. Die Bereitschaft des Kollegiums, die Veränderungen mitzutragen, war jedoch universitätsweit unterschiedlich, und vielfach fühlte sich das Kollegium durch die Neuerungen gestört. Auch die Einführung einer leistungsorientierten Mittelvergabe auf der Ebene der Professuren und die Kommunikation erfolgreicher Forschungsprojekte über alle der Universität zur Verfügung stehenden Kanäle wurde zum Teil kritisch gesehen. Zusammen mit einigen taktischen Fehlern (Ausladung von Gästen aus der Erweiterten Universitätsleitung, Auflösung einer Kommission wegen eines von mir befürchteten Reputationsschadens) führt das zu meiner Nichtwiederwahl als Präsidentin.
Dennoch waren wir als Universitätsleitung in wichtigen Bereichen gut aufgestellt: Wir hatten eine klare Vorstellung vom Wesen eines Strategieprozesses und entwickelten eine Vision von den Potenzialen, die die Universität durch die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie realisieren konnte. Wir haben diesen Prozess transparent, kommunikativ und regelkonform unter Einbindung der relevanten Gremien durchgeführt und am Ende einstimmig verabschiedet.
Allerdings hatten wir uns zu sehr darauf verlassen, dass der Strategieprozess von der breiten Basis der Universität akzeptiert wird und die Universitätskultur als Veränderungsprojekt vernachlässigt. Heute ist klar: Die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie braucht Zeit und ist ein Prozess, der sorgfältige Verhandlungen mit allen Beteiligten erfordert. Ein einstimmiges Votum muss hart erarbeitet werden. Es ist auch unrealistisch zu erwarten, dass eine einstimmig verabschiedete Strategie ohne weitere Diskussionen oder Anpassungen umgesetzt werden kann. Vielmehr erfordert die erfolgreiche Umsetzung einer Strategie kontinuierliche Kommunikation und Anpassungen, um allen Anforderungen und Erwartungen gerecht zu werden.
Was sind also die wichtigsten Erkenntnisse, die ich mitnehme? Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und immer die Notwendigkeit der Wiederwahl im Auge zu behalten. Ich würde mich heute konsequent auf Einstimmigkeit konzentrieren, auch wenn das bedeutet, dass viele Prozesse länger dauern. Obwohl ich nicht für eine zweite Amtszeit gewählt wurde, ist es mir gelungen, wichtige Projekte wie den Bau eines neuen Forschungszentrums, die Einrichtung eines medizinischen Campus und die Einführung von Tenure-Track-Stellen auf den Weg zu bringen. Den großen Transformationsprozess, der notwendig gewesen wäre, um die Universität Passau zu einer Forschungsuniversität zu machen, konnte ich genausowenig umsetzen wie mein Vorgänger. Vier Jahre reichen hierzu nicht aus. Tiefgreifende institutionelle Veränderungen benötigen längere Zeiträume und eine stabile Führung.