Der Beitrag der Hochschulräte zu Strategie- und Profilbildungsprozessen

Ulrich Müller (Foto: Bettina Ausserhofer)

 
Ulrich Müller,
Mitglied der Geschäftsleitung im CHE Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh, hat die Ergebnisse des Peer-Austauschs zusammengefasst: Wie können Strategie- und Markenbildungsprozesse an Hochschulen überhaupt gelingen – und welche Rolle sollen Hochschulräte dabei spielen?

Foto: Bettina Ausserhofer

 

Die drei parallelen Austausch-Gruppen drehten sich um die Frage, wie es Hochschulen gelingt, eine starke Marke zu generieren, eine überzeugende Identität, ein klares Profil – und um die Frage, an welchen Stellen und wie ein Hochschulrat "seine" Universität oder HAW dabei unterstützen kann, strategische Prioritäten zu definieren. Wie kann der Hochschulrat als Mahner einer kontinuierlichen Strategieorientierung auftreten und mit dazu beitragen, dass ein Profil auch auf Dauer etabliert, verankert und gelebt wird? In welchen Abständen sollte ein Profilschwerpunkt reflektiert und ggf. aktualisiert werden?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer identifizierten auf Grundlage ihrer Erfahrungswerte folgende Lessons Learned und Erfolgsfaktoren:

 

Gute Strategieprozesse

  • Interne (etwa ein Wechsel der Hochschulleitung) oder externe Anlässe (etwa Antragsfristen bei der Exzellenstrategie, Zielvereinbarungsprozesse mit dem Land) können als Anstoß für Strategieprozesse dienen. Auch negative Einflüsse und Krisen wie Mittelkürzungen und Rückgänge der Studierendenzahlen können Chancen zu einer Neuausrichtung beinhalten. Externe Anlässe sollten aber nicht zu einem kurzfristigen gedanklichen Horizont verleiten.
     
  • Ein Strategieprozess sollte von vorneherein ein festgelegtes Zieldatum haben. Es empfiehlt sich eine maximale Dauer von zwei bis zweieinhalb Jahren. Wird ein Profilbildungsprozess kräftezehrend zu sehr in die Länge gezogen wird und ist kein greifbares Ergebnis in Sicht, droht Strategiemüdigkeit.
     
  • Wichtig ist ein Gegenstromprozess, also eine gute Mischung aus Top-Down-Entscheidungen und Top-Down-Impulsen sowie von Bottom-Up-Elementen bei klarer Rollenverteilung. Partizipation schafft Legitimation. Statt auf basisdemokratische Abstimmungen, die leicht zur Zerfaserung führen, sollten Hochschulen eher auf die Einbeziehung von Repräsentantinnen und Repräsentanten der verschiedenen Status- und Interessensgruppen sowie der Fakultäten/Fachbereiche (etwa in Gestalt einer erweiterten Hochschulleitung, welche die Dekaninnen und Dekane beteiligt) setzen.
     
  • Es hat sich bewährt, bei Strategiediskussionen die Teams vielfältig zu gestalten und bewusst kreative und zukunftsgewandte Köpfe einzubeziehen.
     
  • Die punktuelle Einbeziehung von Peers (oder von Organisationen, die sich gut mit Hochschulen auskennen) als externe Beraterinnen und Berater stärkt die Qualität und Akzeptanz strategischer Entscheidungen.
     
  • Laufende Kommunikation und Transparenz seitens der Hochschulleitung über Ziele, Rahmenbedingungen, Zeitplan und Gestaltung des Strategieprozesses sind entscheidend für die Akzeptanz des späteren Ergebnisses.
     
  • Eine Hochschule kann sich nicht alle fünf Jahre neu erfinden. Aber auch wenn zwischendurch keine dramatischen Umwälzungen auf eine Hochschule einwirken und akuten Veränderungsdruck ausüben, ist eine erneute intensive Selbstvergewisserung in einem Abstand von etwa zehn Jahren sinnvoll und notwendig. In der Zwischenzeit dient die gemeinsame Reflexion durch Hochschulleitung und Hochschulrat dazu, Nachsteuerungsbedarf im Kleinen zu identifizieren.
     
  • Nach Abschluss einer Strategiediskussion muss darauf geachtet werden, dass die Ergebnisse nicht einfach in der Schublade verschwinden. Natürlich gibt es beim Thema Hochschulstrategie "aktivere" Phasen und Konsolidierungsphasen, aber es ist entscheidend, dass eine Strategie auch zur Realität wird und strategische Schwerpunktsetzungen kontinuierlich mitgedacht werden. Unentbehrlich sind dafür ein adäquates Berichtswesen mit KPIs sowie eine klare Zuständigkeit für das Monitoring und Nachhalten der Hochschulstrategie in der Hochschulleitung – mit entsprechenden Kompetenzen. Ein Baustein zur Umsetzung der Strategie kann auch eine darauf ausgerichtete Leistungsorientierte Mittelvergabe sein ("Idee macht Budget").

 

Profilierungsrichtungen

  • Die beteiligten Akteure dürfen nie aus den Augen verlieren, dass Strategien und Profile sehr hochschulspezifisch ausgestaltet und "gelebt" werden müssen und daher höchst unterschiedlich aussehen können. Der Hochschultyp (etwa Voll-Universität vs. HAW), die regionale Einbettung und die Historie etwa geben bereits gewisse Leitplanken vor, daneben bestehen große Spielräume bezüglich der Strategieoptionen.

 

Rolle des Hochschulrats

  • Die Akzeptanz des Hochschulrats als Akteur im Strategieprozess hängt von einer kundigen und heterogenen Besetzung sowie einer guten Vernetzung im Vorfeld ab.
     
  • Ein Hochschulrat erfüllt seine Aufgabe nicht, wenn er unkritisch alle Vorlagen und Entwürfe nur abnickt und durchwinkt. Er ist aber auch nicht der Akteur, der Strategien entwickelt. Als Sparringspartner der Hochschulleitung hat der Hochschulrat vor allem die Aufgabe, Prozesse adäquat zu begleiten und aus externer Perspektive durch konstruktiv-kritische Nachfragen dazu beizutragen, dass eine Hochschule passende (!) und gleichermaßen ambitionierte wie realistische Zielvorstellungen entwickelt. Unter Umständen ist er bei diesem zum Teil unbequemen Thema auch ein wenig der "Stachel im Fleisch", der Strategieprozesse überhaupt erst initiiert. Hier ist es mitunter nicht trivial, die richtige Balance zwischen Anstoßen und Abwarten zu finden.
     
  • Den Hochschulrat zeichnet idealerweise aus, dass er nicht Einzelinteressen (etwa von Statusgruppen, Fakultäten/Fachbereichen oder internen Koalitionen) vertritt, sondern neutral nach dem Gesamtzusammenhang fragt – die übergreifende Gesamtperspektive auf die Hochschule als critical friend von außen zeichnet ihn aus und macht ihn so wertvoll. (Das muss auch und insbesondere für interne Hochschulratsvertreterinnen und Hochschulratsvertreter gemischt besetzter Hochschulräte handlungsleitend sein!)
     
  • Ebenso ist der Hochschulrat der Akteur, der aus externer Sicht gesellschaftliche Bedarfe und Erwartungen artikulieren kann.
     
  • Je nach Konstellation und Besetzung ist auch eine Rolle des Hochschulrats denkbar, in der er in enger Abstimmung mit der Hochschulleitung Kontakte zur Politik oder zum zuständigen Ministerium als Türöffner oder Unterstützer nutzt, um strategische Entwicklungen zu flankieren.
     
  • In Ländern, die Hochschulräte mit Entscheidungsbefugnissen vorsehen, kann ein Hochschulrat bei einer Neubesetzung der Hochschulleitung seinen Einfluss geltend machen, dass beim Auswahlverfahren die Zielsetzung der Hochschule sowie die in den kommenden Jahren nötigen Umsetzungsschritte in der Formulierung und Anwendung der Auswahlkriterien angemessen Berücksichtigung finden. Mitunter kann eine gezielte Neuberufung der Hochschulleitung auch einen starken inhaltlichen Akzent setzen.
     
  • Strategische Grundentscheidungen kann man nicht als TOP 12 einer Routine-Sitzung abhandeln. Man muss sich ausreichend Zeit dafür nehmen. Bewährt haben sich etwa Arbeitsessen, Strategietage und gemeinsame Klausurwochenenden von Hochschulleitung und Hochschulrat, bei denen abseits des Tagesgeschäftes ein Innehalten möglich ist und bei denen Raum geschaffen wird für einen offenen Austausch zu grundsätzlichen Weichenstellungen und strategischen Fragen.
     
  • Nach bzw. zwischen Phasen der Profil- und Strategieentwicklung ist es eine laufende Funktion des Hochschulrats, in Diskussionen immer wieder den Strategiebezug herzustellen und die Umsetzung strategischer Entscheidungen im Blick zu behalten. Die Hochschulratssitzungen sollten als zyklisch wiederkehrender TOP ein kennzahlengestütztes Monitoring der Umsetzungsergebnisse vorsehen. Im Nachhalten der Umsetzung ist der Hochschulrat ein gleichermaßen mahnender wie motivierender Faktor.