Strategisch mitgestalten und vertrauensvoll begleiten

Welche Rolleninterpretation
Hochschulräte wirksam macht


Jutta Schnitzer-Ungefug (Foto: Peter Himsel)

Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Vorsitzende des Kuratoriums der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, zeigt auf, wie unterschiedlich die Hochschulratsmodelle in Deutschland ausgestaltet sind, warum gesetzliche Rahmenbedingungen allein keine Wirksamkeit garantieren und wie Haltung, Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein Hochschulräte zu echten strategischen Partnern ihrer Hochschulen machen.
 

Foto: Peter Himsel

 
Die Rolle der Hochschulräte ist nicht nur gesetzlich verankert – sondern gesellschaftlich relevant. Doch es zeigt sich auch: Es gibt verschiedene Typen von Hochschulräten. Aber egal welchem Typ der Hochschulrat angehört: Seine Wirkung in der Hochschule ist nicht selbstverständlich. Auch wenn Hochschulräte häufig prominent besetzt sind.

In manchen Hochschulen ist der Hochschulrat eine Reizfigur – in anderen ein Resonanzraum. In manchen Fällen wird der Hochschulrat nur dann konsultiert, wenn man seine Zustimmung braucht – und ansonsten höflich umgangen. In anderen Fällen wird der Rat als echter Sparringspartner der Hochschulleitung gesehen – nicht bequem, aber konstruktiv.

Wann ist ein Hochschulrat ein guter - sprich: Wann wird er in der Praxis zu einem echten Gewinn für "seine" Hochschule? Was macht Hochschulräte wirksam – und wie hängt das mit den unterschiedlichen gesetzlichen Modellen in Deutschland zusammen?

 

Drei Grundtypen – drei Kulturen

In Deutschland existiert nicht ein Hochschulratsmodell, es gibt eine föderale Vielfalt. Diese Unterschiede sind nicht nur juristisch interessant – sie wirken sich ganz konkret auf die Spielräume, Rollenbilder und Erwartungen aus, mit denen wir in unseren Gremien arbeiten.

  • Typ 1, der beratende Hochschulrat, ist beispielsweise in Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen Realität. Der Hochschulrat/das Kuratorium gibt Stellungnahmen ab, begleitet strategische Entwicklungen – ohne formale Entscheidungskompetenz. Der Hochschulrat wird eingebunden in die Findung des Präsidenten/Rektors, gewählt wird die Hochschulleitung dann vom Senat. Der Senat ist das entscheidende Gremium: Er entscheidet über den Hochschulentwicklungsplan, die Ordnungen, die Wirtschaftspläne, über Forschungsangelegenheiten etc.
     
    Was funktioniert dabei gut? Die Zusammenarbeit ist oft vertrauensvoll. Hochschulen erleben den Rat nicht als Eingriff, sondern als Orientierungshilfe. Was ist herausfordernd? Wenn die Beratung seitens der Hochschulleitung nicht aktiv gesucht wird, bleibt der Einfluss begrenzt. Es besteht die Gefahr, dass der Hochschulrat nur informiert, aber nicht wirklich einbezogen wird. 

    Mein Fazit: Manchmal wird er geschätzt. Oft wird er aber ignoriert. Und gelegentlich wird er für PR-Zwecke gebraucht – aber intern als irrelevant betrachtet. Die Gefahr besteht also darin: "Er darf beraten, ohne gefragt zu sein. Und wird oft nur gehört, wenn man das Gewünschte sagt." Natürlich kann auch ein beratender Rat viel erreichen – aber nur, wenn die Leitung das will. Und wenn das Gremium nicht nur nett, sondern nützlich unbequem ist.
     
  • Typ 2, der mitentscheidende Hochschulrat findet sich etwa in Nordrhein-Westfalen oder Bayern. Der Hochschulrat entscheidet mit – bei der Wahl der Hochschulleitung, bei Entwicklungsplänen, bei den Haushalten. Und trotzdem gibt es auch hier Unterschiede.

    In Bayern besteht der Hochschulrat aus gewählten Mitgliedern der Hochschule aller Statusgruppen und aus ebenso vielen externen Persönlichkeiten. Er wählt den Präsidenten (nach öffentlicher Ausschreibung). Er beschließt die Grundordnung, berät und beschließt die Ausrichtung der Hochschule, stellt den Wirtschaftsplan und den Jahresabschluss fest. Der Senat nimmt zu Berufungsvorschlägen Stellung, beschließt Vorschläge zu Studiengängen und zur Einrichtung von SFBs, bestimmt Forschungsschwerpunkte.

    In Nordrhein-Westfalen können alle Mitglieder im Hochschulrat externe Persönlichkeiten sein, zumindest müssen es 50 Prozent sein (darunter 40 Prozent Frauen). Zur Auswahl der Hochschulräte gibt es ein Auswahlgremium, die Liste muss vom Senat beschlossen werden, das Ministerium beruft. Neben dem/der Vorsitzenden gibt es sechs bis zwölf weitere Mitglieder. Der Hochschulrat berät das Rektorat, stimmt dem Wirtschaftsplan zu und der Errichtung von Stiftungen. Er führt Aufsicht über die Wirtschaftsführung des Rektorats, stellt den Jahresabschluss fest, legt dem Ministerium auf dessen Verlangen jährlich einen Rechenschaftsbericht vor, der veröffentlicht wird. Der Hochschulrat kommt mindestens viermal im Jahr zusammen.

    Neben Präsidium, Hochschulrat und Senat gibt es ein weiteres Gremium die Hochschulversammlung. Sie besteht aus Mitgliedern des Senats und in der zweiten Hälfte aus sämtlichen Mitgliedern des Hochschulrats. Eine Findungskommission, paritätisch besetzt aus Mitgliedern des Senats und Hochschulrats, bereitet die Wahl vor. Die Hochschulwahlversammlung wählt das Rektorat/Präsidium.

    Und was macht der Senat? Er gibt Stellungnahme ab zum Rektoratsbericht, billigt Planungsgrundsätze, verfasst Empfehlungen und Stellungnahmen zum Entwurf des Hochschulentwicklungsplan, zum Wirtschaftsplan. Was sind die Stärken dieses Modells? Es gibt klare Zuständigkeiten, und diese fördern die Verantwortung. Die Hochschulräte können strategische Prozesse gezielt mitsteuern. Was ist zu beachten? Mitentscheidungsrechte erfordern Fingerspitzengefühl, damit Vertrauen nicht durch formale Macht ersetzt wird. 

    Mein Fazit: Mit der Macht steigt auch die Fallhöhe. Der Hochschulrat wird zum politischen Akteur. Der Senat fühlt sich manchmal entmachtet. Die Hochschulleitung schaut oftmals misstrauisch – nicht neugierig. Das heißt: Der Rat entscheidet – aber wird er auch akzeptiert?
     
  • Typ 3, das gemischte Modell, gibt es beispielsweise in Hessen oder Thüringen, aber auch hier existieren wieder Unterschiede. Hochschulräte haben selektive Mitwirkungsrechte, zum Beispiel Vorschlagsrechte bei Präsidiumswahlen, Zustimmung zu Zielvereinbarungen.

    In Hessen hat der Hochschulrat bis zu zehn Mitglieder; sie werden vom Ministerium bestellt. Der Hochschulrat ist an der Findungskommission für den/die Präsidenten/in paritätisch mit dem Senat beteiligt, stimmt Berufungsverfahren und Entwicklungsplanung zu, gibt Empfehlungen zur Mittelvergabe, zum Technologietransfer, zu Zielvereinbarungen und nimmt Stellung zur Grundordnung, zum Rechenschaftsbericht des Präsidiums.

    Der Senat wählt den/die Präsidenten/in, die Stelle wird öffentlich ausgeschrieben. Er überwacht die Geschäftsführung des Präsidiums, berät das Präsidium zu Forschung, Lehre und Studium und in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung, beschließt die Grundordnung und entscheidet über Forschungsschwerpunkte im Einvernehmen mit dem Präsidium. 

    Es kann in Hessen eine Hochschulversammlung mit bis zu 75 Mitgliedern geben. Diese besteht aus dem Präsidium, dem/der Vorsitzenden des Hochschulrats, Dekaninnen und Dekanen, Studierendenvertretung, Personalratsvorsitz, Schwerbehindertenvertretung, Vertretung von Behinderten und der Gleichstellung. Wenn es sie gibt, berät sie einmal im Jahr über Grundsatzfragen der Hochschulentwicklung sowie über das Leitbild der Hochschule. Es können dann befristet Aufgaben des Senats an die Hochschulversammlung übertragen werden.
     
    In Thüringen hat der Hochschulrat acht Mitglieder (darunter drei Frauen). Zwei von ihnen werden vom Senat gewählt; eine Person kommt aus dem Ministerium. Alle werden vom Senat gewählt. Der Hochschulrat gibt Empfehlungen zur Profilbildungen, erarbeitet Stellungnahmen zur Grundordnung und zur internen Mittelverteilung. Er bestätigt den Wirtschaftsplan und verfasst einen jährlichen Bericht ans Ministerium, der veröffentlicht wird.

    Der Senat erteilt Einvernehmen zu Zielvereinbarungen, zur internen Mittelvergabe, nimmt Stellung zum Jahresabschluss, zum Entwurf des Wirtschaftsplans und zum Jahresbericht des Präsidiums.

    Die Hochschulversammlung besteht aus Mitgliedern des Senats und des Hochschulrats. Eine paritätisch besetzte Findungskommission aus Senat und Hochschulrat sowie einem Ministeriumsvertreter bereitet die Wahl vor. Die Hochschulversammlung wählt den/die Präsidenten/in, beschließt über Struktur – und Entwicklungspläne und trifft sich mindestens einmal im Jahr; den Vorsitz hat der/die Hochschulratsvorsitzende.

    Mein Fazit: Dieses hybride Modell hat durchaus Potenzial, weil es Balancen ermöglicht. Aber auch hier gilt: Wirkung entsteht nicht durch Paragrafen, sondern durch gelebte Verantwortung. Und zwar dann, wenn der Hochschulrat weiß, was er will, und die Hochschule weiß, was sie vom Hochschulrat hat.
     

Was über den gesetzlichen Rahmen hinaus zählt

Ganz gleich, welches Modell gilt – eines ist überall entscheidend: Der gesetzliche Rahmen legt die Grenze fest – aber nicht die Qualität der Zusammenarbeit. Ein Hochschulrat wird dann wirksam, wenn er strategisch denkt, ohne operativ zu lenken; Verantwortung übernimmt, ohne Dominanz auszuüben; kritisch begleitet, ohne zu belehren; wenn ihm vertraut wird, weil er versteht – nicht nur weil er darf.

Auch in scheinbar engen gesetzlichen Rahmen gibt es Raum für Wirksamkeit. Die Frage ist nur: Wie organisiert sich das Gremium intern? Wie pflegt es den Dialog mit der Hochschulleitung? Wie wird Vertrauen aufgebaut – innerhalb der Hochschule, aber auch in die Öffentlichkeit?

Das heißt, auch ein beratender Hochschulrat kann strategisch mitgestalten, und ein entscheidender Hochschulrat kann vertrauensvoll begleiten – wenn Haltung, Kommunikation und Verantwortungsbewusstsein stimmen.

 

Prioritäten richtig setzen – Wirkung braucht Fokus

Die Hochschulen stehen in der Zukunft vor komplexen Herausforderungen – von Digitalisierung über Finanzierung bis zur internationalen Sichtbarkeit. Deshalb mein Rat: Wir sollten uns als Hochschulräte auf das fokussieren, was wirklich zählt:

  • Strategische Positionierung – Wo steht die Hochschule in zehn Jahren?
  • Governance und Leitung – Wie sind Führung, Strukturen, Entscheidungswege aufgestellt?
  • Zukunftsrisiken erkennen und benennen – Von Nachhaltigkeit bis Datenethik.
  • Kultur der Kommunikation – Auch schwierige Themen konstruktiv ansprechen.

Was wir vermeiden sollten, ist die Flucht in operatives Klein-Klein oder das bloße Abnicken von Vorlagen.

 

Drei Reflexionsfragen als Fazit

Drei Fragen für die nächste Sitzung, die eigene Jahresplanung oder die Selbstreflexion:

  • Wie werden wir innerhalb der Hochschule wahrgenommen – als Partner, als Prüfer, als Unbekannte?
  • Wie bewusst setzen wir unsere formellen und informellen Gestaltungsmöglichkeiten ein?
  • Wann haben wir zuletzt etwas wirklich bewegt – und woran haben wir das gemerkt?

Lassen Sie uns weiter daran arbeiten, dass unsere Arbeit nicht nur sichtbar, sondern spürbar wirksam ist – im besten Sinne für die Zukunft unserer Hochschulen.