Wozu und zu welchem Ende braucht man Hochschulräte?

Dagmar Simon (Foto: Peter Himsel)

Dr. Dagmar Simon, stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Humboldt-Universität zu Berlin und Vorsitzende des Kuratoriums der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, zeichnet nach, welche unterschiedlichen Rollen Hochschulräte zwischen Beratung, Kontrolle und gesellschaftlicher Verantwortung einnehmen und warum klare Zuständigkeiten, Dialog und Diversität entscheidend für ihre Wirksamkeit sind.

 

Foto: Peter Himsel

Wie alles anfing

Nach der vierten Novelle des Hochschulrahmengesetzes 1998 wurden Hochschulräte bundesweit mit der Ausnahme Bremens etabliert, natürlich im föderalen System uneinheitlich, jedoch mit drei Kernaufgaben: Strategische Beratung, Aufsichtsratsfunktionen und gesellschaftliche Verantwortung in dem Sinne, dass mit den Hochschulräten gesellschaftliche Belange in den Hochschulen stärker verankert werden sollten.

Sie sind im Kontext des "New Public Management" in den 1990er-Jahren eingerichtet worden, mit dem die staatliche Steuerung der Hochschulen zurückgenommen, ein Teil der Funktionen auf die Hochschulräte übertragen und den Hochschulen mehr Autonomie versprochen wurde. New Public Management reiht sich ein in zwei weitere Megatrends im deutschen Wissenschaftssystem in den letzten 30 Jahren: eine etwas unentschiedene Ent- und Ausdifferenzierung der Hochschulen. Mit der Exzellenzstrategie sollte einerseits eine vertikale und horizontale Differenzierung der Universitäten erreicht werden. Andererseits übernahmen die Hochschulen der Angewandten Wissenschaften (HAW) mit dem Promotionsrecht und der Stärkung der Forschung Aufgaben, die bislang weitgehend den Universitäten vorbehalten geblieben war. An den Universitäten wurde wiederum die "Third Mission" forciert, ein wichtiges Spielfeld der HAWs.

 

Gewollte Uneinheitlichkeit und Akzeptanz

Grob kann man zwischen folgenden Typen von Hochschulräten unterscheiden:

  • Hochschulräte ohne große Entscheidungsbefugnisse (etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt): Hier liegt der Fokus auf strategischer Beratung und der Berücksichtigung gesellschaftlicher Impulse.
  • Hochschulräte mit ausdrücklichen Mitwirkungs- und Entscheidungskompetenzen (etwa in Baden-Württemberg und Nordrhein- Westfalen sowie bei Stiftungsräten in Niedersachsen) üben eine klare Aufsichtsfunktion aus und verfügen über starke Einflussmöglichkeiten bei strategischen Entscheidungen. Der niedersächsische Stiftungsrat nimmt darüber hinaus die Rechtsaufsicht wahr.
  • Es existieren auch Mischformen: Zum Teil sind Hochschulräte grundsätzlich beratend ausgerichtet, haben aber gleichzeitig vereinzelte Kompetenzen, die sehr weitreichend sind.

Wie auch immer die Hochschulräte ausgerichtet sind, finden sie insgesamt in den Hochschulen und auch bei anderen Stakeholdern, etwa der Ministerien, eine hohe Akzeptanz. Eine vergleichende Befragung von Rektorinnen und Rektoren 2007 und 2014 (Jochheim/Bogumil/ Heinze 2016) zeigte – zwar mit einer etwas abnehmenden Tendenz – ihre Bedeutung insbesondere für die Items "Stärkung der Reformfähigkeit der Universität", "Verbesserte Entwicklung strategischer Ziele" und "Gewinnung externen Sachverstandes".

 

Im Bermuda-Dreieck zwischen Beratung, Kontrolle und externer Impulse

Diese drei wesentlichen Funktionen können und sollten von den Hochschulräten wahrgenommen werden. Sie müssen nur immer austariert werden, etwa Nähe und Distanz zu den Hochschulleitungen, die sie beraten, aber auch kontrollieren. Die Dimensionen einer strategischen Beratung müssen im Hochschulrat geklärt und gegebenenfalls von Zeit zu Zeit nachjustiert werden. Hier kommt nach meiner Erfahrung den Vorsitzenden eine entscheidende Rolle zu. Das Konstrukt, dass Hochschulräte gesellschaftliche Belange verstärkt in die Hochschulen einbringen sollen, ist etwas denkwürdig, denn Hochschulen sind nun mal gesellschaftliche Institutionen. Aber in dem Sinne, dass andere gesellschaftliche Bereiche wie Wirtschaft, Politik und Kultur dort stärker vertreten sein sollten, geht es schon in Zeiten der "Third Mission" in eine richtige Richtung.

 

Einige persönliche Erfahrungen

Als ehemalige Hochschulratsvorsitzende der Universität Paderborn und jetzige Vorsitzende des Kuratoriums der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin möchte ich aufgrund persönlicher Erfahrungen noch zum Schluss folgende Punkte kurz ansprechen.

Sehr wichtig für das Standing des Hochschulrats ist der (kontinuierliche) Austausch mit dem akademischen Senat (nicht nur mit dem oder der Vorsitzenden), darüber hinaus auch mit den Statusgruppen der Hochschule - insbesondere dann, wenn man in einer anderen Stadt wohnt und nicht den direkten Zugang zur Uni hat. Ebenso hat sich die informelle Ebene zur Politik, also zu den Wissenschaftsministerien, als sehr hilfreich erwiesen und das nicht nur in finanziellen Krisenzeiten.

In Nordrhein-Westfalen gibt es die "Konferenz der Vorsitzenden der Hochschulräte an den Universitäten in NRW" (KVHU), ein sehr wichtiges Austausch- und strategisches Beratungsinstrument, mit regelmäßigen Besuchen der Ministerin, das viele Nachahmer in anderen Bundesländern finden sollte.

Gender matters! Gerade wenn es um Machtpositionen in den Hochschulen geht, werden doch immer wieder gerne Geschlechterstereotypen aus dem Hut gezaubert und strategisch eingesetzt. Dies gilt es in Prozessen und Strukturen zu berücksichtigen.

Und zu guter Letzt: Hochschulräte sind keine eierlegende Wollmilchsäue. Nicht mit jedem kleinen Problem muss sich der Hochschulrat befassen, dann geht er im Alltagsgeschäft unter und kommt nicht zu seinen originären strategischen Aufgaben.