Kennzahlen im Hochschulrat – einige Erfahrungen aus der Praxis

 
 
Prof. Dr. Klaus Dicke
, Stiftungsratsvorsitzender der Europa Universität Viadrina und Mitglied im Kuratorium der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Rektor a.D. der Friedrich-Schiller-Universität Jena
 
Foto: David Ausserhofer

Um die Funktion der Strategieberatung in einem Hochschulrat seriös ausfüllen zu können, bedarf es durch Zahlen untersetzter Informationen, die es ermöglichen, mit einem für Ehrenämtler zumutbaren Zeitaufwand die jeweilige Hochschule betreffende Entwicklungen nachvollziehen, Risiken und Fehlentwicklungen identifizieren und Strategieentscheidungen der Hochschule kommentieren zu können. Solche Kennzahlen in aufbereiteter Form bereit zu stellen ist grundsätzlich Aufgabe des Präsidiums. Dabei ist freilich zu beachten:

  • Hochschulpräsidien stehen unter einer Dauerbelastung abundanter Berichtspflichten. Die Etablierung und Pflege möglichst einheitlicher Monitoring- und Berichtssysteme ist deshalb ein strategisches Muss per se, an dem Hochschulräte mit Geduld mitwirken sollten.
  • Das Bereitstellen von und Arbeiten mit Kennzahlen bedarf eines iterierenden Optimierungsprozesses durch enge Kommunikation zwischen Hochschulrat und Präsidium. Als erfolgreich hat sich die direkte Kommunikation etwa zwischen dem Kanzler und einem ehemaligen Kanzler (resp. einschlägigen Experten) im Hochschulrat erwiesen.

Standardisierte Kennzahlen sollten in mindestens vier Rubriken vorliegen: 1. Lehre, Studierende, Studiengänge; 2. Forschung, Promotionen, Drittmittel; 3. Ausstattungen der Fakultäten und Einrichtungen, sowie 4. Finanzen über alle Finanzierungen hinweg. Zeitreihen, um Vergleiche im Zeitverlauf zu ermöglichen, sind notwendig; Benchmarks entsprechend den strategischen Schwerpunkten der Hochschule dringend wünschenswert. Über die regelmäßig zu betrachtenden Kennzahlen in diesen Rubriken hinaus sind bei der allfälligen Diskussion strategierelevanter Handlungsfelder (Internationalisierung, Gleichstellung, Nachwuchs etc. etc.) aussagekräftige Zahlen zur Vorbereitung erforderlich.

Die Arbeit mit Kennahlen muss sich zwischen Präsidium und Hochschule einrütteln. Das braucht Geduld und Empathie, denn: 

  • neigen Hochschulen aufgrund der in ihrer DNA verankerten Währung "Renommee" grundsätzlich dazu, eigene Projekte und Erfolge in breiter Prosa mit lyrisch-laudatorischen Elementen versetzt darzustellen, und
  • folgen sie, was Zahlen angeht, verständlicherweise dem Motto "Trau keiner Statistik, die Du nicht selbst gestaltet hast".

Beides ist dem Arbeiten mit Kennzahlen nicht unbedingt förderlich und bedarf eines gewissen Kulturwandels, um das Institut Hochschulrat für das Gedeihen der Hochschule dienstbar zu machen.

Bei allem Drängen auf einen solchen Kulturwandel ist schließlich auch dies zu bedenken: Rousseau soll gesagt haben: "Zahlen lügen". In hochschulpolitischer Anwendung bedeutet das: Kennzahlen können in die Irre führen. So sind Kennzahlen zu Studienanfängern und Absolventen deshalb oft der Tod kleiner Fächer, weil sie in einem vom fiskalischen Prinzip der Wirtschaftlichkeit dominierten Diskursraum anzuzeigen scheinen, dass Rentabilitätsschwellen unterschritten sind. Deshalb gehört es auch zu den Aufgaben von Hochschulräten, Kennzahlen in Perspektive zu setzen und an einer wissenschaftsadäquaten Gestaltung des hochschulpolitischen Diskursraumes nach Kräften mitzuwirken.