Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat die Reform des Hochschulgesetzes im September 2021 verabschiedet. Wesentliche Veränderungen mit Relevanz für Hochschulräte: Die Erprobungsklausel (§ 7a BerlHG), welche von den Berliner Hochschulen auch zu einer abweichenden Gestaltung der Kuratorien genutzt wurde, ist eingeschränkt worden. Sie existiert unter dem Namen "Innovationsklausel" weiter, allerdings ist nun für die Nutzung der Klausel "die Zustimmung des Akademischen Senats und die Zustimmung des Kuratoriums" nötig, "unzulässig sind Abweichungen, die darauf abzielen, die den Hochschulmitgliedern nach diesem Gesetz eingeräumten Mitwirkungsrechte einzuschränken" (§ 7a).
In § 64 wird die bisherige Architektur des Kuratoriums (die in dieser Form bislang wegen der verbreiteten Nutzung der Erprobungsklausel aber faktisch kaum relevant war) tiefgreifend umgestaltet. Waren bislang neben dem fachlich zuständigen Senator, der den Vorsitz innehatte, und weiteren Vertretern der Politik zum Beispiel auch vier Mitglieder des Abgeordnetenhauses sowie "eine Vertreterin einer Organisation, die die Interessen von Frauen, sowie eine Person, die Umweltbelange vertritt", vorgesehen, erfolgt nun eine Abkehr von dieser "Rundfunkrat-ähnlichen", auf Repräsentanz angelegten Konzeption hin zu einem Modell, das sich den in anderen Ländern praktizierten Ansätzen einen deutlichen Schritt annähert. Abgesehen von den internen Vertretern der Statusgruppen sind nun als Mitglieder des Kuratoriums vorgesehen:
- ein Vertreter der Wirtschaft - an der Alice-Salomon-Hochschule Berlin ein Vertreter der Wohlfahrtsverbände.
- ein Vertreter der Gewerkschaften,
- drei bis fünf Vertreter der Gesellschaft, die sich "durch besondere Erfahrung und Einsatz für Wissenschaft, Forschung, Kultur, soziale und ökologische Nachhaltigkeit oder Gesellschaft auszeichnen".
Die Senatsverwaltung nimmt nur noch als Gast an den Sitzungen teil (§ 64 Abs. 5 BerlHG), allerdings mit Rede- und Antragsrecht.
Nach § 50 Abs. 1 ("Die Gremien einschließlich der Kuratorien tagen öffentlich, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist") gilt der Passus durch den eingefügten Einschub nun auch explizit für die Kuratorien. Auch wenn der neu gefasste Absatz 2 dies in Teilen relativiert ("Die Gremien nach Absatz 1 können in begründeten Ausnahmefällen den Ausschluss der Öffentlichkeit beschließen"), ist diese Änderung kritisch zu sehen: Eine generelle Öffentlichkeit für Kuratoriumssitzungen ist nicht dem Charakter des Gremiums angemessen (wie auch das Positionspapier deutscher Hochschulräte aus dem Jahr 2012 in Absatz 14 betont): Ein Kuratorium sollte offen und vertraulich auch kritische Punkte mit der Hochschulleitung diskutieren und anschließen proaktiv die Öffentlichkeit über Kernergebnisse informieren. Die Diskussionen sollten aber vertraulich stattfinden, um ein "Schaulaufen" zu verhindern.
Leider werden die Mitwirkungs- und Entscheidungskompetenzen der Kuratorien im BerlHG (weiter) beschnitten. Im für Kuratorien zentralen § 65 wurden die ohnehin überschaubaren Befugnisse des Kuratoriums weiter minimiert. Das Kuratorium ist künftig etwa nur noch für die "Feststellung des Haushaltsplans" zuständig, nicht mehr für die "Billigung des Entwurfs".
Das Kuratorium gewinnt eine Aufgabe dazu: "die Erörterung des jährlichen Rechenschaftsberichts des Präsidiums; es gibt hierzu eine Stellungnahme ab" (§ 65 Abs. 1). Die Klausel, dass das Kuratorium im Übrigen zuständig ist "für die der Hochschule zugewiesenen staatlichen Angelegenheiten von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung" und im Zweifelsfall selbst entscheiden kann, „welche Angelegenheiten von grundsätzlicher oder besonderer Bedeutung sind“, ist hingegen entfallen.
Bislang war das Kuratorium berechtigt, bei der Wahl der Hochschulleitung "Vorschläge einmal an den Akademischen Senat zurückzuweisen" (§ 53 Abs. 2 bisheriger Stand). Jetzt ist das Kuratorium nicht mehr in dieser Weise beteiligt (§ 55). Es kann bei Leitungswahlen nun lediglich "Vorschläge" unterbreiten (§ 65 Abs. 1 Satz 5).
Insgesamt wird dem Kuratorium damit noch klarer als bisher eine lediglich beratende Rolle zugewiesen, keine mit Entscheidungsrechten.
Die Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten warnte bereits während des Gesetzgebungsverfahrens angesichts dieser und weiterer Veränderungen vor einer "massiven Beschneidung" der Leistungsfähigkeit der Hochschulen. Ende Oktober sorgte dann die Rücktrittsankündigung von Sabine Kunst, der Präsidentin der HU Berlin, für Aufsehen. Sie begründete ihren Rücktritt damit, dass die wissenschaftspolitischen Weichenstellungen des BerlHG "gut gemeint, aber schlecht gemacht" seien. Insbesondere führten die Änderungen in § 110 zu einer deutlichen Erhöhung der unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter, ohne dass die Gegenfinanzierung gesichert sein. Kunst: "Die Änderungen in ihrer Gesamtheit gefährden die exzellente Weiterentwicklung der Humboldt-Universität und in der Konsequenz den Wissenschaftsstandort Berlin."