Die finanzielle Lage der deutschen Hochschulen:
Chancen, Risiken, Handlungsoptionen

Prof. Dr. Susanne Menzel-Riedl (Foto: Peter Himsel)

Prof. Dr. Susanne Menzel-Riedl, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Präsidentin der Universität Osnabrück, zeigt in ihrem Beitrag auf, wie strukturelle Unterfinanzierung die strategische Profilentwicklung der Hochschulen erschwert, ihre internationale Leistungsfähigkeit schwächt und das Vertrauen in hochschulautonome Prozesse untergräbt. Sie ruft dazu auf, die gesellschaftliche Bedeutung der Hochschulen sichtbarer zu machen und ihre Zukunft gemeinsam mit Hochschulräten aktiv zu gestalten. 

Foto: Peter Himsel

 
Die finanzielle Situation der Hochschulen in Deutschland ist besorgniserregend. Massive Kürzungen sorgen immer wieder für Proteste und die Angst vor einem drastischen Stellenabbau wächst.

In allen Bundesländern sind Hochschulen von Sparmaßnahmen und Kürzungen betroffen. Insbesondere in Hessen und Berlin sind aktuell die Hochschulen mit künftigen Einsparungen in Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr konfrontiert. Dabei zeigt sich, dass die Grundfinanzierung, die den laufenden Betrieb in Forschung und Lehre sichern soll, bereits jetzt nicht mehr ausreicht. Zwar wurde die Grundfinanzierung kontinuierlich erhöht, aber nicht äquivalent zum Anstieg der Studierendenzahlen (und der Inflation und den Tarifsteigerungen). Diese bewegen sich in den letzten zehn Jahren in der gesamten Bundesrepublik auf einem konstanten Hochplateau. Zudem ist ab 2027 bundesweit mit einem weiteren kontinuierlichen Anstieg der Studienanfänger und Studienanfängerinnen zu rechnen. Prognostiziert ist, dass der Höchstwert 2035 einem Zuwachs von etwa zwölf Prozent gegenüber der aktuellen Ausgangsbasis im Jahr 2022 entsprechen wird.

Angesichts der angespannten finanziellen Lage sind die Herausforderungen aus Perspektive der Hochschulleitungen äußerst vielfältig. Durch die Kürzungen und die mit diesen einhergehenden Veränderungen wird gemeinsam Erarbeitetes und Geplantes infrage gestellt. Dies wirkt sich nicht nur auf zukünftige Prozesse und Planungen aus, auch vergangene Entscheidungen werden in einem anderen Licht betrachtet. Der entstehende Eindruck, dass die Hochschulen für das Land keinen hohen Stellenwert besitzen, kann dabei durchaus unterschiedliche Effekte mit sich bringen; er kann sich negativ auf die eigene Wahrnehmung und Motivation auswirken, er kann aber auch den Zusammenhalt stärken und die Basis für eine neue Identifikationskultur bilden oder auch den Raum eröffnen, tatsächliche Fehlentwicklungen zu reflektieren.

Problematisch bleibt jedoch, dass die Verantwortung für die interne Kürzungsumsetzung von der Verantwortung für Kürzungsentscheidungen entkoppelt wird. Dies kann als "Paradox der Hochschulautonomie" bezeichnet werden: Zwar ist die Profilentwicklung wissenschaftsgeleitet frei innerhalb des mit dem Land gemeinsam gesteckten Zielrahmens, die Ressourcen für die Erreichung der Ziele werden jedoch verknappt oder befristet. Zugleich besteht eine klare Abgrenzung der Verantwortungssphären und die Aufforderung zu maximaler Fokussierung bei der Profilentwicklung. Kernaufgabe der Hochschulleitung unter Bedingungen der Hochschulautonomie ist es, Hochschulangehörige langfristig auf gemeinsam bestimmten Entwicklungsvektoren zu halten und zu unterstützen. Kürzungen frustrieren jedoch und mindern die Bereitschaft, an Entwicklungen mitzuwirken. Dabei wiegen vor allem wiederholte oder eskalierende Kürzungen schwer, die unabhängig von strategischen, wissenschaftsgeleiteten Entscheidungen erfolgen.

Kürzungen unterlaufen das strategische Programm und den Handlungsrahmen, auf dessen Grundlage die Hochschulleitung gewählt worden ist. Sie müssen den Kurswechsel und die Einsparungen vertreten, werden dafür verantwortlich gemacht und büßen unweigerlich Vertrauen ein. Dabei ist zu bedenken, dass Kürzungen nie strategisch erfolgen, sondern immer nur dort, wo sie zu diesem Zeitpunkt möglich sind. Auf diese Weise werden lange strategische Entwicklungslinien und -prozesse in den Hochschulen unterbrochen. Die Kürzungen schaden dabei allen: Die Hochschulen erleiden einen Identitäts- und Verantwortungsverlust und werden in ihrer Legitimation, ggf. sogar ihrer Funktion eingeschränkt. Das Land schwächt seine Bildungseinrichtungen und damit sein eigenes Ansehen. Die Folgen sind Hochschulen, deren Forschungspotenzial massiv beschnitten wird und die im internationalen Wettbewerb kaum mehr konkurrenzfähig sind.  

Als Lösung wird bisweilen eine Steigerung von privaten Mitteln in Betracht gezogen, die bereits jetzt ergänzend und oft zweckmäßig genutzt werden. Ihr Einsatz ist jedoch zwiespältig, da sie angesichts berechtigter Transparenzerwartung mit einem hohen Begründungs- und Monitoringaufwand einhergehen. Mehrheitlich sind sie auf bestimmte Fachdisziplinen und nicht selten auf eine anwendungsorientierte Forschung bezogen. Zudem sind private Mittel immer befristet und können staatliche Mittel keinesfalls ersetzen.  

Es ist dringend erforderlich, die Sichtbarkeit der Hochschulen in Politik und Gesellschaft zu erhöhen und die Relevanz von Bildung, Forschung, Transfer und Kultur wieder stärker in den Fokus zu rücken. Die "volkswirtschaftlichen Bilanzen" von Hochschulinvestitionen sind von immenser Bedeutung und wirken sich positiv auf die gesamte Gesellschaft aus, die von funktionierenden Hochschulen, die sich frei entfalten können, profitiert. Um der Relevanz der Hochschulen und ihrer bedeutenden gesellschaftlichen Rolle wieder stärkere Aufmerksamkeit zu verleihen, bedarf es auch einer engen Zusammenarbeit mit den Hochschulräten, die die Hochschulen bei ihrer eigenverantwortlichen Entwicklung unterstützen und als wichtiges Bindeglied zu Politik und Gesellschaft fungieren.